Aus unserer Reihe: Allgemeines Programm

Nestmann, Frank / Engel, Frank / Sickendiek, Ursel (Hrsg.)

Das Handbuch der Beratung, Bd. 3

Neue Beratungswelten: Fortschritte und Kontroversen

2013 , 560 Seiten

ISBN 978-3-87159-247-8

39.00 Euro

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„Ein bemerkenswerter Beitrag zur Professionalisierung von Beratung.“
(Bettina Zehetner, www.frauenberatenfrauen.at)

„Neue Beratungswelten“, der dritte Band des Handbuches der Beratung, ergänzt Disziplinen und Zugänge (Band 1) sowie Ansätze, Methoden und Felder (Band 2) um Beiträge zu aktuellen Kontexten, in denen sich Beratung zu bewähren hat, und um neue Sichtweisen auf Beratungswissen und Beratungshandeln.

Dieser Band legt dar, wie sich Beratung konzeptionell entwickelt, wo sich neue Aufgaben, neue Funktionszusammenhänge und neue Bedingungen einer diversifizierten professionellen Praxis auftun, die Beratung in ihren herkömmlichen Konzepten, Settings und Arbeitsformen herausfordern. Paradoxien und Ambiguitäten der Beratungsentwicklung werden dabei herausgestellt.
Kritisch kontroverse Reflexionen von Beratungstraditionen und Beratungsmoden, aber auch alternative Entwürfe eines professionellen Beratungsverständnisses regen zum Nachdenken und zur Diskussion an.

Auch das Handbuch Band 3 richtet sich an Beratungswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler, Lehrende in der Beratung, Beratungspraktikerinnen und -praktiker sowie an die Beratungspolitik und verdeutlicht in jedem Beitrag, wie stark diese Gruppen aufeinander verwiesen sind.

Band 3: Neue Beratungswelten: Fortschritte und Kontroversen
- Innovative Zugänge: Neue und weiterentwickelte Konzepte des Beratens
- Beratungssettings und -räume
- Medien und Beratung
- Kritik der Beratung - alte und neue Widersprüche

Bamler • Döring • Eichenberg • Engel • Feltham • Göckler • Goldner • Großmaß • Hintenberger • Keller • Keupp • Knab • Kryspin-Exner • Kühne • Kupfer • McLeod • Michels • Nestmann • Oberlehner • Plößer •
Prinz • Schrödter • Schubert • Seel • Simon • Sickendiek • Thiersch • Weinhold • Werner




Band 1: „Disziplinen und Zugänge“
568 Seiten, EUR 36,–
ISBN 978-3-87159-048-1

Inhalt Band 1: Beratungsdisziplinen, Geschlecht und Beratung, Alter und Beratung, Kultur und Beratung, Beratung und soziale Systeme, Perspektiven und Entwicklungen


Band 2: „Ansätze und Methoden“
712 Seiten, EUR 46,–
ISBN 978-3-87159-049-8

Inhalt Band 2: Beratungsansätze, Beratungsmethoden und Beratungsforschung, Beratungsfelder, institutionelle und professionelle Bedingungen


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Rezensionen:

„Eines wird an diesem dritten Band deutlich: Dass die Herausgeber mit wachem Auge die Entwicklung der Beratung seit Herausgabe der ersten beiden Bände beobachtet haben und sie durch diesen Band dokumentieren. Wenn man auf der Höhe der Zeit bleiben will, so bieten die vorliegenden Aufsätze nicht nur Gelegenheit dazu, sondern sie machen Freude, denn für die eigene Beratungsarbeit vermitteln sie neue Impulse. So etwa der Ansatz von John McLeod: Beratung als narrative Praxis. Wir alle erleben täglich, dass uns Klienten Geschichten erzählen. Und in der Paarberatung stellt sich mir nicht selten die Frage, ob beide eigentlich gerade wirklich von der gleichen Veranstaltung berichten. An diesem Beispiel wird deutlich, was eine Beratung als narrative Praxis bedeuten kann. In der Erzählung des Einzelnen wird seine persönliche Identität deutlich und so gilt es, den Sinn, der in seiner Geschichte verborgen liegt, zu finden. Wissen schließlich beide Partner um den tieferen Sinn der Geschichten des anderen, wird es möglich, gemeinsam eine andere, eine neue Geschichte zu schreiben. Mithilfe dieser Geschichte steigen sie aus dysfunktionalen Interaktionen aus und ermöglichen sich gemeinsam Fortschritte hin zu einer deutlichen Zufriedenheit im Miteinander.
Oder der Aufsatz von Frank Nestmann: Ein soziales Modell von Beratung. Was bedeutet es, dass wir in einer modernen Welt leben, in der immer weniger Traditionen, eingefahrene Regeln und Rituale, rigide und starre Ordnungen oder vorgegebene Wege das Tun, Denken und Fühlen des Menschen anleiten oder bestimmen? Konkret: Was bedeutet es, dass mit der Abschaffung der Hausfrauenehe 1976 Paare seither herausgefordert sind, ihrer einmaligen Regeln für ihre Beziehung selbst zu finden und zu gestalten? Täglich wird in der Paarberatung deutlich, dass damit auch immer neue Risiken und Gefahren für die eigene Lebensplanung und Lebensführung bestehen, da es an Kompetenzen mangelt. So gilt es etwa, Fragen der Haushaltsführung, der Erziehung der Kinder, der Freizeitgestaltung oder der Sexualität auszuhandeln. Berater bzw. Beraterinnen werden so zu einer Brücke für Teilnahme und Teilhabe an der sozialen Kommunikation. Berater helfen beim Suchen und Finden von Wegen, zurück zum ganz persönlichen anderen, aber auch den vielen anderen draußen. Sie ebnen Rückwege in die persönliche soziale Welt und zu deren sozialen Ressourcen.
Aus meiner Praxis an einer Beratungsstelle weiß ich aus der Erfahrung in Gruppen der Partnerschule, dass man nur miteinander und aneinander „heil“ werden kann. Ratsuchende haben sich zu einem Netzwerk zusammengeschlossen, zu dem heute ca. 300 Menschen gehören (Sanders, 2008). Anziehend für sie ist es zu erleben, dass bisher vermiedene Themen zum Gegenstand der Beratung werden. Dass sie sich von anderen Teilnehmern in ihren Erfahrungen, in ihrem Schmerz und Leid verstanden fühlten. Damit verlieren diese Themen nach und nach auch ihre beängstigende und unterdrückende Macht. Beratung haben diese Ratsuchenden als sozialen Prozess erlebt, der ihnen ermöglicht hat, alte Beziehungen wieder und neue aufzubauen. Durch die beraterische Arbeit in Gruppen haben sie festgestellt, dass jeder von ihnen kompetent in Fragen von Liebe, Partnerschaft, Ehe, Kindererziehung etc. ist, nur jeder eben anders und einmalig. Wenn diese Fähigkeiten und Potenziale zusammenkommen und sich ergänzen – auch das haben sie erlebt –, kann das Ergebnis für alle Beteiligten gewinnbringend sein. Eigennutz und Gemeinwohlorientierung verbinden sich. Zwar werden häufig beide als Gegensätze verstanden, machen aber letztlich den Kern jeder Nachbarschaftshilfe und christlicher Gemeindebildung aus. Gesellschaftspolitisch ist die Verknüpfung dieser beiden Haltungen zentrale Quelle dessen, was wir heute bürgerschaftliches Engagement nennen. Alle Beteiligten schöpfen so Mut für ihr Leben, für die Gestaltung und Bewältigung ihres Alltags und machen quasi „Empowerment“-Erfahrungen.
Ich hoffe, ich habe Sie neugierig gemacht auf das Buch? Es werden noch viele weitere neue Themen aufgegriffen, wie etwa das der Finanzierung von Beratung, das der Migrationsberatung oder der Beratung im Schwangerschaftskonflikt. Unterm Strich wird deutlich, dass Beratung eine Praxisfeld ist, eine Handlungsorientierung und eine Wissenschaft in ständiger Bewegung.

Literatur
Sanders, R. (2008). Empowerment – Hilfe zur Selbsthilfe in der Ehe- und Familienberatung am Beispiel des „Netzwerk Partnerschule e.V.“ Beratung Aktuell, 9, S. 43-60.

Dr. Rudolf Sanders




„Die bunte Fülle der Zugänge des dritten Bands des Grundlagenwerks zu Beratungstheorie und -praxis durchzieht ein roter Faden: Wie kann Beratung den Ratsuchenden Räume für neue, emanzipatorische Erzählungen eröffnen? Erzählungen, in denen hegemoniale Deutungen nicht einfach bestätigt und fortgeschrieben werden, sondern in Frage gestellt, erweitert und verschoben werden können (etwa die Normen des rigiden Entweder–Oder der dichotomen Zweigeschlechtlichkeit). Der Abschnitt ,Innovative Zugänge: neue und weiterentwickelte Konzepte des Beratens‘ enthält John McLeods Artikel ,Beratung als narrative Praxis‘ sowie Melanie Plößers Text ,Poststrukturalistisches Von-sich-Erzählen‘, der Judith Butlers Konzeption der performativen Gestaltung von Weiblichkeit und Männlichkeit fruchtbar für die Beratung macht. Hier vermisse ich weitere Beiträge zu aktueller feministischer Beratungsforschung, auch Artikel aus den Gender Studies würden sich hier anbieten.
Ursel Sickendiek fasst Diversität in der Beratung als politisches Konzept und mehrdimensionalen Ansatz, um unterschiedlichen Lebenswelten gerecht zu werden, Differenzen anzuerkennen und sich dem Ziel sozialer Gerechtigkeit anzunähern. Hier klingt Adornos Utopie ,ohne Angst verschieden sein können‘ an. Hier geht es auch um kulturell-gesellschaftliche Deutungsperspektiven für persönliches Leiden. Dazu erweist es sich als sinnvoll, das eigene Wissen, die eigenen Vorannahmen immer wieder einzuklammern, um offen für neue Sichtweisen zu bleiben.
Ein weiteres spannendes Thema in diesem Abschnitt: Ungewissheit, Nichtsicherheit und Zufall in der Beratung.
,Beratungssettings und –räume‘ behandelt die Themen Beratung und sozialer Raum (Ruth Großmaß) und professionelle Gestaltung von offenen Settings sowie Organisationsberatung und Community Counselling. Das Kapitel ,Medien und Beratung‘ informiert über die Professionalisierung der Online-Beratung sowie den Einsatz mobiler Medien.
Das Finale ,Kritik der Beratung – alte und neue Widersprüche‘ reflektiert die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen von Beratung heute sowie Beratung als Teil des ökonomischen Systems. Heiner Keupp beschreibt in seinem Beitrag ,Fit für was? Beratung als Aktivierungsschema fürs Hamsterrad‘ die Internalisierung von Normen und Ansprüchen vom Fremdzwang zum Selbstzwang, vom Körperdrill über den Fitnessdiskurs zum Burn-out und Depression und greift Bröcklings Konzept vom unternehmerischen Selbst auf und befragt die gesellschaftliche Funktion von Empowerment durch Beratung in der neoliberalen Selbstverwertungsmaschinerie.
Der letzte Abschnitt problematisiert die Ökonomisierung von Beratung sowie Beratung und Armut, Beratung im Zwangskontext, Diagnostikkritik, Beratungsforschung und Evaluation als Politik.
Der reichhaltige Band lädt Berater_innen ein zur kritischen Selbstreflexion über eigene Theorie(n) und Praxis, z.B. wie trägt Beratung zur Selbstdisziplinierung bei?
Der Anspruch der Autor_innen und Herausgeber_innen ist es, Beratung als politische Praxis sichtbar und wirksam zu machen, die zum Abbau gesellschaftlicher Ungleichheiten beiträgt. Ein bemerkenswerter Beitrag zur Professionalisierung von Beratung.“

Bettina Zehetner, www.frauenberatenfrauen.at


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