Aus unserer Reihe: Reihe 'Forum für Verhaltenstherapie und psychosoziale Praxis'

Vogt, Irmgard (Hrsg.)

Frauen-Körper

Lust und Last. Band 2

2005 , 180 Seiten

ISBN 978-3-87159-145-7

15.80 Euro

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Widersprüchliche gesellschaftliche Erwartungen tragen dazu bei, dass Frauen ambivalente Beziehungen zu ihrem Körper haben. Frauen sollen körperlich attraktiv, faszinierend und vielleicht sogar betörend sein – aber auch bescheiden, sauber, rein. Da diese Gegensätze nur schwer miteinander vereinbar sind, leiden viele Frauen an ihrem Körper.

 

Aber der Körper kann auch Quelle der Lust sein. Das Wissen um körperliche Lust und um Lust am eigenen Körper ist das dialektische Gegenstück.

 

Dieser doppelten Kodierung des Frauenkörpers nähern sich die Autorinnen dieses Buches aus verschiedenen Blickwinkeln. Thematisch geht es um das Begehren von Mädchen und Frauen, um sportliche Inszenierungen und um Alltagsbilder des Körpers, es geht um Schönheit, Lust und Frust am Essen und um neue Entwicklungen der Gender-Konzepte.

 

Dieses Buch will Frauen (und Männer) im Alltag und als professionelle HelferInnen anregen, sich mit der Lust und dem Leid der Frauen an ihrem Körper auseinanderzusetzen.

 

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KÜCHE, KOCHEN, ESSEN UND ALLES GENIESSEN
von Irmgard Vogt


1 Die Küche im Haushalt der Gegenwart

1.1 Geschlechterrollen im Wandel

Der Haushalt der Gegenwart ist anderen Vorstellungen verpflichtet als der bürgerliche Haushalt der vergangenen drei Jahrhunderte. Er ist aber aus diesem hervorgegangen und erinnert in einer Reihe von Facetten nach wie vor an diese Herkunft. Daher richtet sich der Blick zunächst kurz zurück, bevor er sich ganz auf die Gegenwart konzentriert.
Mit der Etablierung des bürgerlichen Haushalts, der sich in der langen Phase seiner Formierung am Beispiel des Adels orientierte, wurden die Geschlechterrollen neu bestimmt und typologisch festgeschrieben.
"Tatsächlich setzte der ehedem adlige Kult der Gourmandise sich jetzt allgemein durch, was vor allem an der Art zu speisen, am Verhalten bei Tisch, der Art, sich bedienen zu lassen, ablesbar wurde. Seither kennt die Karikatur den völlernden bürgerlichen Gourmand, der, allein an einem Tisch sitzend wie im Mittelalter der König, einsam in sich hinein frißt. Die Feinschmeckerkunst wurde Lebensausdruck nicht nur der Reichen des dritten Standes, sondern auch des Kleinbürgertums ... Das ganze Bürgertum? Nun, das eben nicht." (Meyer- Renschhausen, 2002, S. 51)
Der bürgerliche Haushalt ist – das geht aus dieser Beschreibung hervor – auf den Mann als „kleinen König“ fixiert: Er steht im Mittelpunkt desselben, auf ihn ist er zugeschnitten, er bestimmt, was in ihm passiert. Ihm zur Seite steht die Hausfrau, an die er die Schlüsselgewalt über den Haushalt abgibt, die ihn dafür entsprechend zu ehren und zu bedienen hat.
Begleitet wird diese Entwicklung von der Festschreibung der Geschlechtscharaktere von Mann und Frau. Der männliche Geschlechtscharakter wird als aktiv und rational typisiert und der weibliche – in Ergänzung zum Mann – als passiv, emotional und irrational (Hausen, 1976). Hand in Hand damit geht die Abwertung der Arbeit von Frauen im Haus, die im Unterschied zum bäuerlichen Haus nun als unproduktive und private Tätigkeit gesehen wird, der keine wirtschaftliche Bedeutung zukommt, nach dem Motto: „Bei uns arbeiten die Männer und die Frauen tun nichts“ (Bock & Duden, 1977, S. 51). Beides hat die Rolle und Stellung der Frau im Bürgertum nachhaltig bestimmt, in dem sie eben nicht selbständig schaltet und waltet, sondern in Abhängigkeit von dem Ehemann und von den an sie gestellten gesellschaftlichen Erwartungen. Sie musste den Schein des bürgerlichen Haushaltes aufrechterhalten, also zum Beispiel Essen herstellen, das den bürgerlichen Normen genügte und im Alltag mindestens drei Gänge aufzuweisen hatte, mit Suppe, Hauptspeise mit Braten und Gemüse als Beilage sowie Nachtisch, wobei der Braten meist nur vom Familienoberhaupt gegessen wurde, und sie musste zudem so tun, „als habe sie als Hausherrin selbst nichts zu tun, als sei sie – ganz wie ehedem die adlige Dame – von körperlicher Arbeit befreite Regentin eines reputierlichen Hausstandes“ (Meyer-Renschhausen, 2002, S. 61; Meyer, 1982).
Erst weit in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts lösen sich die Stereotypisierungen der Männer- und Frauenrollen langsam auf, und mit ihnen die Vorstellung, dass Hausarbeit keinen ökonomischen Wert habe. Das hängt wiederum eng mit allgemeinen politischen und ökonomischen Entwicklungen zusammen. Seit 1950 braucht die Wirtschaft immer neue Arbeitskräfte; sie ist darauf angewiesen, dass auch Frauen in den Erwerbskreislauf einbezogen werden. Und sie braucht die Frauen als Konsumentinnen für ihre Erzeugnisse, auch und gerade derjenigen der Ernährungsindustrie. Moderne und vor allem junge Frauen sind heute sowohl berufs- wie familienorientiert. Je höher die Schul- und Berufsausbildung ist, umso mehr dominiert die Berufsorientierung, je geringer sie ist, die Familienorientierung (Helfferich, Karmaus, Starke & Weller, 2001). Als Konsumentinnen sind die Frauen längst eine feste Größe in den Gewinnerwartungen der Wirtschaft. Im Zuge all dieser Veränderungen verändert sich auch das Hauswirtschaften, was sich u. a. an der Ausstattung von Küchen ablesen lässt.

1.2 Küchen heute

Küchen in Deutschland sind im Allgemeinen abgeschlossene Räume mit einer durchschnittlichen Größe von 12 qm. Im Idealfall handelt es sich um eine Einbauküche (Silbermann, 1995). Mit der Höhe des Einkommens und mit der Wohnform – im eigenen Haus, in der eigenen Wohnung im Unterschied zum Wohnen auf Miete – werden die Küchen größer und es steigt der Prozentsatz derjenigen, die eine für die Raumgröße maßgeschneiderte Einbauküche haben. Ganz nebenbei führt das zu Küchen, die in gewissem Umfang normiert sind. Küchen heute sind Räume, die nach subjektiver Einschätzung bestens eingerichtet sind und über eine optimale Grundausstattung verfügen. Dazu gehören selbstverständlich moderne Formen eines Elektro- oder Gasherdes, wenigstens ein Kühlschrank (auch mit Gefrierfach), dazu kommt in zwei Drittel aller Haushalte ein Gefrierschrank (oder eine Gefriertruhe) sowie ein Mikrowellengerät und in 57 % von ihnen eine Geschirrspülmaschine (STABA, 2004). Im Vergleich zu Erhebungen aus dem Jahr 1975 hat sich vor allem die Zahl der Haushalte verändert, die über einen Gefrierschrank und ein Mikrowellengerät verfügen (Silbermann, 1995). Das liegt nicht zuletzt daran, dass das Angebot an Tiefkühlkost sowie an Mahlzeiten, die nur noch im Mikrowellenherd erwärmt werden müssen, bevor man sie verzehrt, in den letzten 30 Jahren enorm zugenommen hat.
Kurz: die Technisierung des Haushalts, insbesondere der Küche, schreitet fort – diese Entwicklung geht jedoch viel langsamer vor sich, als sich das die Planer des „intelligent home“ vorstellen, die ein Haus konstruieren wollen, in dem am Ende alles auf Knopfdruck funktioniert und daher von überallher gesteuert werden kann. Frauen kommen in diesen Planungen allerdings nur ganz am Rande vor.
"Einer der Gründe für diese Vernachlässigung geschlechtsspezifischer Bedürfnisse – oder besser die Ausrichtung am männlichen Technikinteresse – mag der Umstand sein, dass Frauen nur selten – etwa als Technikerinnen – in den Entwicklungsprozess involviert sind, die entsprechenden Entwicklungsabteilungen vielmehr ... durch Männer dominiert sind, die in der Regel nicht über die gleichen alltagspraktischen Erfahrungen verfügen wie die Frauen ... und die dann eben so einen Herd brauchen, der sagt ‚ich bin jetzt auf 270 Grad‘ oder ‚der Kuchen ist in 5 Minuten fertig‘" (Glatzer et al., 1998, S. 224).
Entwickler meinen, sie wüssten sehr genau, wie ein Haushalt funktioniert, da sie selbst in einem Haushalt leben. Sie überschätzen dabei womöglich ihr Wissen ganz erheblich, da sie – wie andere Männer heute auch noch – die Hausarbeit weitgehend an die Frauen delegieren. Das lässt sich exemplarisch an einer Studie zur Kompetenz der Verbraucher bei der Lagerung von Lebensmitteln ablesen: Frauen wissen sehr viel genauer als Männer, wie man mit Lebensmitteln kompetent umgeht, wie man sie lagern muss (vgl. BFE, 2001, S. 24ff.; Pfau & Piekarski, 2003; Pichert, 2003). Bislang interessiert sich die Industrie offenbar kaum dafür, wer die neue Technologie nutzen soll. Strukturanalysen von Haushaltsaktivitäten fehlen weitgehend, sie werden zurzeit nur in sehr beschränktem Umfang durchgeführt. Die Technik entwickelt sich unabhängig von den potentiellen Nutzerinnen. Anders als Männer, die von neuen Techniken häufig einfach fasziniert sind, fragen Frauen nach, welchen konkreten Nutzen sie haben, wenn sie technische Hilfsmittel zur Bewältigung der Hausarbeit einsetzen. Wenn es um den Haushalt geht, wollen Frauen von Arbeit entlastet werden; technisches Spielzeug ohne Nutzwert interessiert sie hingegen wenig. Offenbar gehen genau hier die Interessen der Frauen und der Planer auseinander.
Hinzu kommt noch, dass viele Haushalte wohl noch nicht die Voraussetzungen erfüllen, die für das „intelligent home“ unerlässlich sind. Im Jahr 2003 verfügen etwa zwei Drittel aller Haushalte über einen PC, etwa 50 % über einen Internet- oder Onlinedienst und ca. 25 % über einen ISDN-Anschluss (STABA, 2004). Wie leistungsstark die PCs sind, wie geeignet, um über sie Geräte im Haushalt fernsteuern zu können, ist unbekannt. Man sollte allerdings davon ausgehen, dass ein erheblicher Teil der PCs in den Haushalten nicht dafür geeignet ist, über sie komplexe Bedienungskonzepte abwickeln zu können. Trifft dies zu, liegt das „intelligent home“ noch in weiter Ferne. Bis dahin wird die Hausarbeit weiterhin vornehmlich von Frauen verrichtet, auch das Kochen.
Die Ausstattung von Küchen beschränkt sich jedoch nicht auf Küchengeräte. Dazu gehören auch Tisch und Stühle (in ca. 70 % aller Küchen), Blumen oder Pflanzen (64 %), Geräte zum Musikhören (63 %) oder TVs sowie Bilder (46 %; vgl. Silbermann, 1995, S. 85). Alles in allem sind Küchen recht gut ausgestattete Räume, in denen man gemütlich sitzen kann. Es sind „Frauenräume“, was sich u. a. an der Ausstattung mit Blumen oder Pflanzen und Bildern zeigt. In der Küche wird selbstverständlich gekocht und sehr häufig auch gegessen, ganz allgemein Hausarbeit erledigt (Bügeln, Wäsche pflegen usw.), ein Teil der Freizeit verbracht (miteinander reden, Zeitung lesen, Fernsehen usw.) und schließlich als Raum für die Kinder genutzt (Hausaufgaben machen, Spielen; vgl. Silbermann, 1995, S. 94ff.). Wenn nicht gerade gekocht und gegessen wird, handelt es sich bei der Küche um eine Art Multifunktionsraum, den verschiedene Mitglieder eines Haushalts in Anspruch nehmen.
Wie im Anschließenden gezeigt wird, sind es aber die Frauen, die auch heute noch die meiste Zeit in der Küche verbringen.


2 Kochen heute

2.1 Hausarbeit und Zeitbudget

Helge Pross (1975) hat sich als eine der Ersten in der alten Bundesrepublik Deutschland mit der Hausarbeit als Forschungsgegenstand auseinander gesetzt. Ihre Ergebnisse laufen in folgenden Feststellungen zusammen:
"Die Durchschnittsfrau macht ihren Haushalt allein, ohne fremde Hilfe. Jeden Tag bereitet sie drei Mahlzeiten zu. Gründlich geputzt wird einmal in der Woche, gewaschen zweimal, gelegentlich auch dreimal. Dreimal in der Woche geht sie einkaufen. Die Fenster putzt sie zweimal im Monat." (Pross, 1975, S. 80)
Pross war bei der Berechnung der Stundenbelastung der Hausfrauen durch den Haushalt nicht kleinlich; sie nahm alles dazu, was irgendwie zum „Haus“ gehörte: Kinderbetreuung und die Beaufsichtigung von Schularbeiten ebenso wie Einkaufen, Kochen und Putzen usw. So kam sie auf eine wöchentliche Arbeitsbelastung durch den Haushalt von 60 Stunden oder umgerechnet auf einen Tag von fast neun Stunden. Diese Art der Pauschalberechnung von Hausarbeit wird heute allerdings nicht mehr akzeptiert; an deren Stelle sind inzwischen sehr differenzierte Formen der Berechnung von Zeitbudgets getreten.
In der Hauswirtschaftslehre unterscheidet man zwischen Hausarbeit im strengen Sinn des Wortes, die als Arbeit gerechnet werden kann und etwa im Versicherungsfall auch zu ersetzen ist, und Eigenarbeit, die über den puren Funktionsaufwand hinausgeht. 1987 setzte der Deutsche Hausfrauenbund die (Haus-)Arbeitszeit, die benötigt wird, „um einen mitteltechnischen Haushalt zu führen“, mit zwei Stunden pro Tag und Versorgungsperson an. Die Arbeitsbelastung ist nach diesem Modell mit 14 Wochenstunden im Ein-Personen-Haushalt am niedrigsten. Sie steigt mit der Zahl der Personen, die in einem Haushalt leben. Die Zunahme der Arbeitszeit und -belastung ist nicht linear, sondern richtet sich nach den Personen, die zusätzlich zu versorgen sind. Insbesondere kleine Kinder und alte (kranke) Familienmitglieder machen viel Arbeit, da sie noch nicht bzw. nicht mehr in der Lage sind, für sich selbst Hausarbeiten zu übernehmen und eine gewisse Ordnung herzustellen. Die Belastungen variieren also systematisch mit den Personen, die im Haushalt zu betreuen sind.
Für die Gegenwart geht das Statistische Bundesamt (STABA, 2003) davon aus, dass Frauen im Durchschnitt pro Tag 4 ? Stunden unbezahlte Arbeit erbringen und Männer 2 ? Stunden. Diese Zeiten verbringen die Frauen vor allem mit Haus- und Gartenarbeit. Dazu zählen folgende Arbeiten: Kochen, Spülen, Reinigen von Haus oder Wohnung, Wäschepflege, Tier- und Pflanzenpflege.
Wie bereits aus früheren Studien bekannt und belegt, engagieren sich Männer stärker als Frauen für handwerkliche Arbeiten rund um das Haus und das Auto. So tragen sie aktiv zur Verteilung der Lasten im Haushalt bei. Da in diese Zeitberechnung jedoch auch das Engagement von Männern in ehrenamtlicher Arbeit außer Haus eingeht, bleibt für handwerkliche Arbeiten im Haushalt entsprechend weniger Zeit übrig.
Im Prinzip hat sich also gegenüber den Berechnungen des Hausfrauenbunds verhältnismäßig wenig geändert. Frauen erledigen den Großteil der Hausarbeit, Männer gehen ihnen dabei in gewissem Umfang zur Hand, jedoch ist ihr Anteil an der Hausarbeit noch immer vergleichsweise gering.
In Tabelle 2 sind die durchschnittlichen Zeitaufwendungen für bezahlte und unbezahlte Arbeit von Frauen und Männern mit und ohne Kinder dargestellt. Aus dieser Tabelle geht noch einmal klar hervor, dass Frauen durchweg mehr Zeit für unbezahlte Arbeit aufwenden als Männer, ganz unabhängig von ihren sonstigen Lebensumständen. Frauen mit Kindern unter 18 Jahren, die nicht erwerbstätig sind, investieren am meisten Zeit in Haus- und Familienarbeit: im Durchschnitt 7,5 Stunden pro Tag. Davon werden rund vier Stunden in die Hausarbeit investiert und mehr als zwei Stunden allein in die Kinderbetreuung. Auch für die Regeneration haben diese Frauen vergleichsweise viel Zeit. Frauen mit Kindern, die zudem erwerbstätig sind, wenden für die Haus- und Familienarbeit zwei Stunden weniger auf. Sie reduzieren auch die Zeit für Einkaufen/Organisation des Haushalts. Auch bei der Regeneration wird Zeit gespart, nicht jedoch an der Zeit, die für soziale Kontakte und Freizeitaktivitäten vorgesehen ist. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, kann man festhalten, dass sie mit ihrer Zeit sehr viel sparsamer umgehen als Frauen der Vergleichsgruppe.
Erwerbstätige Frauen ohne Kinder unterscheiden sich von beiden hier aufgeführten Gruppen von Frauen mit Kindern. Sie setzen am wenigsten Zeit für die Haus- und Gartenarbeit ein, jedoch fast genauso viel für Einkaufen und Organisation des Haushalts wie erwerbstätige Frauen mit Kindern. Den Zeitgewinn, den sie erzielen, investieren sie in ihre Sozialkontakte, Freizeit und Regeneration.
Das engste und straffste Zeitkorsett haben allein erziehende erwerbstätige Frauen mit Kindern unter 18 Jahren. Im Durchschnitt arbeiten sie nicht nur länger im Beruf (1 Stunde und 45 Minuten länger als Frauen, die in vergleichbarer Situation mit einem Partner leben), sie haben auch etwas weniger Zeit für ihre Kinder, für den Haushalt und für die Regeneration. Von allen Gruppen von Frauen gehören sie zu denjenigen, die unter besonderem Zeitstress stehen.
Die aktuellen Studien belegen damit einmal mehr, dass erwerbstätige Frauen mit Kindern weniger Zeit in den Haushalt investieren als Hausfrauen, die nicht erwerbstätig sind. Dieses Ergebnis ist zwar trivial, aber dennoch sehr bedeutsam. Theoretisch betrachtet verändert sich der Umfang der anfallenden Hausarbeit nicht mit der Erwerbstätigkeit der (Haus-)Frau, sondern bleibt in etwa gleich groß. Wenn erwerbstätige Frauen jedoch weniger Zeit für die Hausarbeit aufbringen, dann heißt das, dass die anfallenden Aufgaben anders verteilt oder anders organisiert werden müssen. Hilzenbrecher hat schon 1987 gezeigt, dass erwerbstätige Frauen mit Kindern „schneller“ kochen als nicht-erwerbstätige Frauen mit Kindern. Das tun sie auch heute noch.
Überhaupt hat die Zeit, die Frauen mit Kochen verbringen, erheblich abgenommen. In den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts lag der Zeitaufwand noch bei 145 Minuten pro Tag (Pross, 1975), in den 80er und 90er Jahren nur noch bei 60 Minuten bei erwerbstätigen Frauen mit Kindern und bei etwa 100 Minuten bei den nicht-erwerbstätigen Frauen mit Kindern. Daran hat sich in den letzten zehn Jahren wenig geändert. Offenbar lässt sich die Zeit, die man fürs Kochen auch mit vorgefertigten Gerichten und mit dem Einsatz der Mikrowelle aufbringen muss, nicht beliebig verringern. Das kann allerdings auch daran liegen, dass mit den neuen Technologien neue Ansprüche entstanden sind, denen vor allem die Mütter gerecht zu werden versuchen. Jeder im Haushalt will heute „sein“ Gericht und nicht einfach „das“ Gericht, das die Mutter auf den Tisch bringt. Will die Hausfrau allen Wünschen ihrer Lieben gerecht werden, muss sie mehrfach kochen, im Extremfall für jedes Familienmitglied ein je eigenes Gericht. Das wirkt sich auf die Zeit aus, die für diesen Teil der Hausarbeit aufgewendet werden muss: Statt zu sinken, steigt der Zeitaufwand fürs Kochen dann wieder an. Technologische Entwicklungen haben eben auch eine Kehrseite – sie wecken neue Bedürfnisse, die befriedigt werden wollen.
Frauen, die ohnehin nicht gerne kochen, verbuchen diese Zeiteinsparungen bei der Essenszubereitung als erwünschten Zeitgewinn (Kettschau, 1991), und mit diesem Urteil treffen sie sich mit demjenigen einiger Frauenforscherinnen (Metz-Göckel & Müller, 1986). Das liegt u. a. daran, dass Kochen (und Essen) als Beziehungsarbeit verstanden wird – also als „Arbeit aus Liebe“, die letztlich als Ausbeutung gilt. Ostner (1988) macht das ganz deutlich, wenn sie feststellt: „Die Mahlzeit, das Essen ist gemacht für die Heimkehrenden“. Die Hausfrau, die, wie sie ausführt, nicht heimkehre, sondern schon da sei, bereite das Essen vor, nehme wohl auch an diesem teil, sie mache es aber nicht für sich, sondern (nur) für die Anderen. Wären die Anderen nicht da, dann koche sie nicht. „Manche, vor allem ältere, hören sogar ganz auf zu kochen, wenn sie niemanden mehr beköstigen können. Auch dies unterstreicht, wie sehr das Kochen eine Arbeit für andere ist“ (Ostner, 1988, S. 94) – eben Beziehungsarbeit. Sie ist so sehr Beziehungsarbeit, dass Ostner einfach unterstellt, Frauen würden ausschließlich für andere kochen und nicht für sich selbst. Angesichts der fast 14 Millionen Ein-Personen-Haushalte in der Bundesrepublik, die zu 60 % von Frauen gestellt werden, ist dies allerdings eine gewagte These. Dahinter verbirgt sich eine Abwertung, um nicht zu sagen eine Verachtung des Kochens als Tätigkeit, die den Blick für die Realitäten trübt.
Beziehungsarbeit hat nämlich einen reflexiven Charakter; sie bezieht sich gerade nicht einseitig auf andere unter Aussparung der eigenen Person, sondern sie umfasst die Anderen in der Interaktion mit der eigenen Person. Erfreulicherweise werden nämlich über die Zuwendungen zu anderen immer auch eigene Wünsche und Bedürfnisse aktualisiert und manchmal sogar befriedigt. Frauen sind, so gesehen, im Austausch mit anderen, und dieser ist am intensivsten im Nahraum, in der Familie (Kaller-Dietrich, 2001, 2002; Rommelspacher, 1992). Geht es ums Kochen und Essen, wird dieser Aspekt besonders deutlich: Der eigene Körper bedarf mindestens so sehr der Nahrung wie der von anderen. Um sich selbst zu ernähren, muss man nicht kochen, wohl aber essen. Das kann man mit Lust tun, man kann es aber auch als lästige Notwendigkeit hinter sich bringen. Man geht wohl nicht zu weit, wenn man unterstellt, dass die Art und Weise, wie Frauen sich selbst ernähren, etwas mit dem eigenen Selbstverständnis zu tun hat. Manche Frauen tun sich schwer damit, sich selbst etwas zu gönnen – zum Beispiel ein gutes Essen.

2.2 Was wird wann gekocht?

Vor dem Kochen steht das Einkaufen. Wie aus Tabelle 2 hervorgeht, wenden Frauen rund eine Stunde pro Tag für Einkaufen und die Organisation des Haushalts auf. Dazu gehört neben anderem das Einräumen der eingekauften Güter sowie deren Zubereitung zur Konservierung. Detaillierte Studien zeigen, dass 90 % der Frauen mit Kindern täglich frische Nahrungsmittel einkaufen. Immerhin noch 60 % der Frauen in Paarhaushalten ohne Kinder kaufen ebenfalls täglich frische Nahrungsmittel ein. Männer sind an diesen Aktivitäten in viel geringerem Umfang beteiligt. Nur 27 % der Männer mit Kindern kaufen täglich Nahrungsmittel ein, jedoch 35 % der Männer ohne Kinder. Meist gehen die Frauen zu Fuß oder mit dem Fahrrad einkaufen. Wird der Einkauf rund um die Erwerbstätigkeit organisiert – also auf dem Weg zur Arbeit oder von der Arbeit nach Hause –, dann spielen auch die öffentlichen Verkehrsmittel eine wichtige Rolle (Römmelt & Karg, 2002). Kurz, für Frauen mit Kindern gehört der tägliche Einkauf von Nahrungsmitteln zur Routine; sie haben diese in den Alltagsablauf eingebaut.
Was eingekauft wird, hängt von einer Reihe von Faktoren ab. In Tabelle 3 sind die für unterschiedliche Gruppen errechneten Durchschnittseinkommen sowie die für den privaten Verbrauch zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln dargestellt, zudem die Ausgaben für Nahrungsmittel, Getränke und Tabak.
Allein lebende Männer haben vergleichsweise viel Geld zur Verfügung; sie geben jedoch etwa genau so viel Geld für Nahrungsmittel, Getränke und Tabak aus wie allein lebende Frauen mit einem deutlich geringeren Durchschnittseinkommen. Paare ohne Kinder leisten sich gut doppelt so hohe Ausgaben für Nahrungsmittel, Getränke und Tabak wie allein lebende Frauen und Männer. Mit der Zahl der Kinder steigen selbstverständlich die Ausgaben für Nahrungsmittel. Sie steigen relativ im Verhältnis zu dem zur Verfügung stehenden Einkommen. Der Einkauf von Nahrungsmitteln ist also u. a. von den finanziellen Mitteln bestimmt, die den Einzelnen oder den Familien überhaupt zur Verfügung stehen. Allerdings spielen die finanziellen Mittel für die Nahrungsmittel nicht mehr dieselbe Rolle wie noch vor 50 Jahren, da die Preise für Lebensmittel in diesem Zeitraum sehr viel langsamer angestiegen sind als für andere Konsumgüter. In Deutschland waren Nahrungsmittel noch nie so billig wie heute. Relativ gesehen muss man also heute für Nahrungsmittel geringere finanzielle Mittel aufwenden als früher. Vor allem Familien mit niedrigem Einkommen profitieren von dieser Entwicklung, denn sie können sich heute alles in allem eine bessere Ernährung leisten als früher.
Weiterhin spielt das Geschlecht der Einkaufenden eine entscheidende Rolle. Frauen und Männer kaufen nicht nur unterschiedlich häufig für sich oder die Familie ein, sie erwerben auch unterschiedliche Nahrungsmittel. Das liegt an den unterschiedlichen Geschmäckern von Frauen und Männern. Festmachen lässt sich dies am einfachsten am Fleisch, das Männer besonders lieben und auf das viele Frauen besonders leicht verzichten können. Da Fleisch eine hohe symbolische Bedeutung zukommt, soll darauf in den folgenden Abschnitten etwas genauer eingegangen werden.
Männer essen mehr Fleisch als Frauen, mehr Brot mit Butter und Wurst, mehr Backwaren. Sie trinken jedoch auch mehr Milch als diese und vor allem mehr alkoholische Getränke. In Deutschland essen Männer vor allem Schweinefleisch, gefolgt von Rindfleisch. Frauen bevorzugen dagegen Geflügelfleisch. Selbstverständlich gibt es Ausnahmen von diesen Regeln, es gibt Gegenentwicklungen und Fleischverachter (Wirz, 1993, 2001). Dennoch ist Fleisch männlich assoziiert, Gemüse, Salat oder Obst hingegen weiblich. Männer, die sich nicht an diese Regeln halten und stattdessen „weibliche Werte in ihren Diäten betonen“ (Meyer-Renschhausen & Wirz, 2002, S. 113), müssen mit Ablehnung rechnen.
Ohnehin belegt die Forschung zur Geschichte des Essens und der Nahrungsmittel, dass die Nahrungsgewohnheiten im Wesentlichen kulturell geformt sind. Entscheidend dafür, was in einer Region gegessen werden darf, sind religiöse Vorschriften und kulturell verankerte Tabus (Harris, 1988; Setzwein, 1997). Verschiedene Religionen haben ganz unterschiedliche Vorschriften darüber aufgestellt, welche Tiere oder Pflanzen in welcher Form gegessen werden dürfen und welche nicht. Hinzu kommen kulturell tradierte Tabus, die ebenfalls Essensschranken errichten. In Deutschland, das kulturell vom Christentum geprägt ist, gelten vor allem pflanzenfressende Tiere als essbar, wie beispielsweise Schweine, Rinder, Schafe sowie sehr viele Geflügelarten. Früher galten auch Pferde als essbar, allerdings ist die Ablehnung von Pferdefleisch in den letzten Jahrzehnten enorm angestiegen. Hunde und Katzen gelten hingegen als nicht essbar, was weniger an ihrem Nährwert liegt, sondern eher daran, dass ihr Verzehr tabuisiert ist. Auch das Essen von Singvögeln und von Schwänen ist in Deutschland tabuisiert, ebenso das von Insekten aller Art. Dies sind nur einige wenige Beispiele aus dem Tierreich, die zeigen sollen, wie sich religiöse Vorschriften und Tabus auf das Nahrungsverhalten auswirken. Auch bei den Pflanzen gibt es ähnliche Einschränkungen, von denen sich manche im Zuge der Globalisierung aufzulösen scheinen, während andere sich erst langsam etablieren. Vor allem nicht religiös fixierte Tabus können sich ändern und haben es auch getan, wie sich am Schwan oder an den Singvögeln, die in früheren Jahrhunderten durchweg als essbar galten, leicht zeigen lässt (Unverfehrt, 2002). Bei den Singvögeln hat sich das Tabu bislang zudem nur partiell durchgesetzt; in manchen Regionen von Frankreich, Italien und Spanien gelten sie auch heute noch als Delikatesse.
Frauen, die täglich Nahrungsmittel einkaufen, bestimmen mit, was gekauft wird. Sie gehen dabei Kompromisse ein und kaufen auch Lebensmittel, die sie selbst nicht essen wollen, etwa Zutaten für die Lieblingsgerichte ihrer Männer. Sie tun das, selbst wenn es ihnen vor diesen graust (Beispiele dazu z. B. bei Brombach, 2002, S. 98). Das sind aber eher Ausnahmen, nicht die Regel. Frauen kaufen in erster Linie das ein, was sie selbst gerne mögen und was sie sich mit den zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln auch leisten können. Sie bestimmen damit auch, was sie und ihre Kinder tagsüber essen.
Neue Studien zum Familienalltag zeigen, dass es in deutschen Haushalten erstaunlich traditionell zugeht. 85 % aller Deutschen frühstücken zu Hause, 85 % essen zu Mittag warm und 96 % essen ein kaltes Abendbrot, aber sehr oft zusammen mit einem warmen Getränk (BFE, 2003, S. 27ff.). Der Tagesablauf wird nicht zuletzt von diesen Mahlzeiten bestimmt. Im Arbeitsalltag trifft sich die ganze Familie meist nur beim Frühstück. Erwerbstätige Männer kommen gewöhnlich erst wieder nach der Arbeit nach Hause. Sie essen mittags in der Kantine oder einfach am Arbeitsplatz. Frauen, die Kinder versorgen, bereiten dagegen für diese und sich selbst zum Mittagessen eine frisch gekochte Mahlzeit zu, die dann zusammen gegessen wird. Da fast die Hälfte aller Frauen mit Kindern unter 18 Jahren selbst erwerbstätig ist, stehen diese Frauen bei der Zubereitung des Mittagessens unter einem erheblichen StresS. In der Regel muss das Mittagessen in 30 Minuten fertig sein, zumal die Kinder, wenn sie aus der Schule kommen, hungrig sind und nicht lange auf das Essen warten wollen (Brombach, 2000, 2002). Frauen, die nicht erwerbstätig sind, können in die Zubereitung des Mittagsessen mehr Zeit investieren, worauf bereits eingegangen wurde (vgl. Tabelle 2).
Gekocht wird, was die Mütter selbst für gesund halten; also wenig Fleisch, dafür viel Gemüse. Frauen können sich mit ihren Präferenzen allerdings nicht immer durchsetzen. Sie machen auch gegenüber den Kindern Konzessionen und orientieren sich an deren bevorzugten Gerichten. Bei den Kindern stehen Nudeln, Pizza, Pommes frites hoch im Kurs, Salat und Gemüse lehnen sie dagegen eher ab (Heyer, 2002). Die Mütter geben sich jedoch alle Mühe, nicht nur Nudeln mit Hackfleischsauce oder Pizza auf den Tisch zu bringen, sondern auch andere Gerichte wie Gemüse-Lasagne und andere fleischlose Speisen, die den Appetit anregen. Sie sind hierbei auch auf die Angebote der Nahrungsmittelindustrie angewiesen, gerade weil das Kochen schnell gehen muss.
So traditionell es beim Frühstück und beim Mittagessen zugeht, so komplex ist die Sachlage beim Abendessen. Zwar essen alle Familienmitglieder abends, meist zwischen 18:00 und 19:30 Uhr, allerdings sind dann nicht immer alle Familienmitglieder beisammen. Je nach Alter der Kinder und nach dem ehrenamtlichen Engagement der Eltern wird zusammen oder nacheinander zu Abend gegessen. Das lässt sich auch leicht organisieren, da die Vorbereitung des Abendbrotes eher einfach ist. Auch helfen die Kinder bei dessen Vorbereitung gewöhnlich mit.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Mitglieder einer Familie gewöhnlich dreimal am Tag miteinander essen, wenn auch in unterschiedlichen Zusammensetzungen. In mehr als 50 % der Familien gibt es eine Mahlzeit, zu der sich alle Familienmitglieder versammeln (Brombach, 2002; Murcott, 1997). Nimmt man Essrituale im Alltag als Indikator für den Zustand von Familien, dann funktionieren diese erstaunlich gut. Sie haben sich in der Moderne eingerichtet und ihren eigenen Rhythmus gefunden.
An den Wochenenden geht alles etwas anders zu. Wie auch an den Werktagen treffen sich die Familienmitglieder vor allem am Frühstückstisch, allerdings später als sonst. Auch gibt es ein üppigeres Frühstück als an Werktagen, mit Brötchen, Marmelade, Wurst und Käse und manchen Speisen, die einzelne Familienmitglieder besonders gerne mögen. Auch das Mittag- und Abendessen findet in einem anderen Kontext statt. Da die Männer zu Hause sind, gibt es mittags oder abends ein Fleischgericht. Auch nehmen sich die Frauen mehr Zeit zum Kochen. Nicht selten kochen auch die Männer selbst, vor allem diejenigen unter ihnen, für die Kochen ein Hobby ist.
Was gekocht wird, hängt also ganz entscheidend vom Setting ab. Im Wochenalltag bestimmen die Frauen, was wann auf den Tisch kommt; am Wochenende und an Feiertagen orientieren sich Paare und Familien an den Präferenzen der Männer. Fleisch gehört dann selbstverständlich dazu.

2.3 Wer kocht?

Wie im Vorhergehenden dargestellt, scheint die Frage, wer kocht, schon entschieden zu sein: Es sind im Allgemeinen die Frauen. Aber so einfach ist das nicht. Gerade wenn es ums Kochen geht, hat man es mit einer komplexen Gemengelage zu tun. Zwar waren wohl seit der Erfindung des Feuers und des Topfes Frauen für die häusliche Küche verantwortlich, jedoch sind es, wie Menell schreibt, „seit den alten Ägyptern immer die Männer gewesen, die die Alltagsrezepte der Frauen übernahmen und sie für die höfische Kochkunst umformten“ (Menell, 1988, S. 257f.). Er führt dies darauf zurück, dass die Paläste der Herrschenden sehr oft auch militärische Einrichtungen waren oder sich aus diesen heraus entwickelt haben; sie unterscheiden sich gerade in dieser Hinsicht nachhaltig vom privaten Haushalt.
Militärische Einrichtungen sind Institutionen von Männern für Männer; sie werden selbstverständlich von Männern dominiert. Das gilt ebenso selbstverständlich für die Küche in diesen Institutionen. Dort lernen Männer das Kriegshandwerk, zu der die Erlegung der Gegner gehört. Hatte man in früheren Zeiten gerade nichts Wichtigeres zu tun, ging man auf die Jagd und übte dabei genau die Fähigkeiten und Fertigkeiten, die auch im Krieg benötigt werden. Die Analogie von Jagd und Krieg ist jedoch nach wie vor präsent, wie Francis Ford Copolla im seinem Film „Apocalypse Now“ zeigt oder wie die Sprache der Krieger verrät. Man „jagt“ den Gegner zurück (hinter eine imaginäre Linie), man umzingelt, man fängt ihn. Was dann mit ihm geschieht, ist offen. Die Beute, schreibt Canetti (1980, S. 237) wird "mit einem Gefühl der Billigung und des Wohlgefallens ... betrachtet, beobachtet, bewacht; als Fleisch gesehen, da sie noch lebt; so intensiv und unwiderruflich als Fleisch gesehen, daß nichts einen je davon abbringen könnte, es auch zu erlangen. Während dieser ganzen Zeit, in der man um sie herumschleicht, fühlt man schon, wie sehr sie einem gehört; von dem Augenblick an, da man sie zur Beute bestimmt hat, ist sie einem in der Vorstellung bereits einverleibt."
Die Beute – sei es ein Stück Wild oder ein Mensch –, die es zu fangen gilt, wird in ein Stück Fleisch transformiert, das es zu erlegen gilt: das ist seit Urzeiten Männerhandwerk! Immerhin werden Menschen heute, wenn man sie denn gefangen hat, nicht mehr verspeist. Das bleibt dem Wild vorbehalten. Es versteht sich auch von selbst, dass Männer die Zerlegung des erjagten Tieres selbst übernehmen. Und beim Militär sowie bei Hofe sind es Männer, die daraus ein Gericht zubereiten. Frauen gehen ihnen dabei allenfalls zur Hand – die Meister des Faches sind Männer.
Jenseits des Militärs hat die Bedeutung der Männer als Köche mit der Kultivierung des Geschmacks in den letzten fünf Jahrhunderten enorm zugenommen (vgl. neben vielen anderen Montanari, 1993; Teuteberg, Neumann & Wierlacher, 1997). Es wundert nicht, dass sehr viele alte Kochbücher von Männern geschrieben worden sind (Ruf, 1987; Ruge-Schatz, 1987). Jedoch gibt es auch schon sehr früh vereinzelte Kochbücher von Frauen (vgl. z. B. Anna Wecker, 1598). Etwa zwei Jahrhunderte später wurden einige weitere berühmte Kochbücher von Frauen für Frauen publiziert, das von Betty Gleim (1808) und das von Henriette Davidis (1844), die beide als Sach- und Hauswirtschaftsbücher angelegt sind; sie sollten die Frauen neben der Bibel und dem Gesangbuch ein Leben lang begleiten. Beide Bücher waren wohl auch deshalb so erfolgreich, weil sie die Belehrung über eine perfekte Haushaltsführung mit der über die perfekte bürgerliche Küche geschickt miteinander verknüpft haben. Dennoch sind Kochbücher von Frauen für Frauen eher die Ausnahme. Alles in allem ist das Kochbuchschreiben bis heute Männersache. Gedacht sind die Bücher für den „erfahrenen Koch“, der auch mit vagen Angaben über Mengen, Mischungsverhältnisse und Zubereitungsanweisungen umzugehen weiß (typisch dafür: Siebeck, 1976). Frauen können sich auch daran versuchen – wenn es nicht viel wird, sollten sie sich aber nicht wundern.
Männer kochen also sehr wohl. Sie sind Küchenmeister, Chefköche, Kochkünstler, Hobbyköche und stehen in dieser Funktion in höchstem Ansehen. Das unterscheidet sie von den Hausfrauen, die mit ihrer Haus- und Küchenarbeit kaum Ansehen gewinnen können. Anders als Hausfrauen, die – wie oben beschrieben – unter enormem Zeitdruck Mahlzeiten herstellen, nehmen sich Hobbyköche Zeit beim Kochen:
"Mit dem Slow Food wird das Sich-Zeit-Lassen, wird die ausdrückliche Langsamkeit als Gegenentwurf dem Tempo gegenübergestellt und damit zum – luxuriösen – Prinzip erhoben. Der Gegenentwurf zum Fast Food setzt dieses Zeithaben als autonomes Verfügen über sein Zeitbudget vorauS. Slow Food zelebriert die – vor allem nachhaltig männliche – Gemeinschaft beim Planen und dann weiter beim Einkauf regionaler Produkte auf dem Markt, bei der Zubereitung in einer altartig, aber doch perfekt ausgestatteten Küche und schließlich beim gemeinsamen, lange währenden Essen am großen, dunklen Holztisch." (Köstlin, 2003, S. 8)
Wenn Männer als Hobbyköche tätig werden, kommt die Küche erst zu ihrem Recht, wird sie mit all der eingebauten Technik endlich richtig genutzt! Es handelt sich, schreibt Köstlin (2003, S. 9), um einen Ort der „männlichen Performance ... Perfektion und Professionalität auch in der Freizeit sind die Sache des Mannes, nicht nur beim Grillen im Freien und mit offenen Feuer, das die Männer so sehr für sich reklamieren“. Männer werden zu „Spezialisten der Küche, deren Mahlzeiten schon dadurch zum Ereignis werden, dass sie von Männern gekocht werden“ (ebd., S. 10). Als Chefköche und als Hobbyköche wirken Männer zurück auf Frauen, setzen Normen, was das tägliche Essen angeht und lassen die Alltagsarbeit in der Küche völlig verblassen.
Selbstverständlich gibt es auch heute ein paar Köchinnen, die da mithalten können, sie sind aber Randerscheinungen, keine Meinungsbildner wie zum Beispiel Wolfram Siebeck in Deutschland, der sich in regelmäßigen Abständen in Zeitungen wie „Die Zeit“ zelebriert und der Nation verkündet, was „richtiges Essen“ ist und wie man es herzustellen habe.
Frauen kochen im Alltag, organisieren der Haushalt im Alltag, aber in die Kochschule gehen sie zu Männern – sei es virtuell über Kochbücher oder über Sendungen im Fernsehen, sei es leibhaftig in Kochkursen, in denen sie von den Meistern des Faches in die hohe Kunst des Kochens eingewiesen werden. So transformieren und tradieren sich Geschlechterverhältnisse aus dem Bürgertum in die Postmoderne.
Quer dazu steht, dass Mütter schon immer ihr Wissen über den Haushalt, seine Organisation und vor allem das Kochen an ihre Töchter weitergeben. Gefragt danach, von wem sie Kochen gelernt haben, sagen Frauen allemal: zu Hause, bei der Mutter (Brombach, 2002, S. 92). Da allerdings die meisten Kinder nicht kochen, solange sie zu Hause wohnen, geht es wohl eher darum, dass sie sich beim Kochen an dem orientieren, was sie bei der Mutter gesehen und gegessen haben. Die Töchter erlernen also erste Grundlagen darüber, was wie gekocht wird, zu Hause und von der Mutter. Das reicht aber nicht immer aus, um selbst kochen zu können, schon gar nicht, wenn es komplizierte Gerichte sind. Sehr wahrscheinlich schließt heute das Fernsehen viele Wissenslücken beim Kochen. Je nach Sendung kann man dem Koch genau „auf die Finger schauen“, wie er es macht. Man kann die Sendungen aufnehmen und immer wieder anschauen, man kann sich dazu Informationsmaterial schicken lassen usw. In vielen Sendungen wird auch erwähnt, was bei der Zubereitung bestimmter Speisen besonders schwierig ist und wie man diese Probleme bewältigen kann. Wiederum sind es vor allem Männer, die als Fernsehköche den Frauen das Kochen zeigen. Männern kommt also eine zentrale Vermittlerrolle zu, wenn es ums Kochen geht.
Was die Mütter aber ganz gewiss an ihre Töchter weitergeben, sind Rollenschablonen und mit diesen zusammen Geschmackspräferenzen. So kommt es, dass die Mehrzahl der Frauen ganz unterschiedlicher Generationen Gemüse, Salate und Quarkspeisen dem Fleisch vorziehen.
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