Aus unserer Reihe: Allgemeines Programm

Giese, Eckhard

Das Neue Mensch

Satiren aus der Psycho-Welt

2009 , 144 Seiten

ISBN 978-3-87159-094-8

14.80 Euro

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"Das kurze Fazit lautet: Bestellen, lesen, verschenken, sich und anderen eine Freude damit machen!"

(Herbert Effinger, socialnet.de)

 

Ein gepfefferter Extrakt aus allem was stöhnt und dröhnt in den Bereichen von Biotechnics, Gesundheizförderung, Gendermainstreaming, total Hochschulchangemanagement und Bankenkrise, gewürzt mit scharfen Cartoons – für alle Satire-Liebhaber und ZeitgeistkritikkritikerInnen, Feuchtgebietefans und LeerstuhlinhaberInnen, psychosozial Tätige, Angehörige und Betroffene.

 

 

Über den Autor
 

Eckhard Giese, Dipl.-Psych., Jg. 1953. Studium in Heidelberg, Würzburg und Manchester (GB). Promotion über die italienische Psychiatriereform. Neun Jahre in der Berliner Einzelfall- und Familienhilfe tätig. Seit 1992 lehrt der Autor an der Fakultät Sozialwesen der Fachhochschule Erfurt in den Lehrgebieten Psychologie, Sozialpsychiatrie, Umweltpsychologie und Gender Studies. Der vorliegende ist der dritte Psychosatireband des Autors.

 

 

 

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Rezensionen:

„Klimakollaps, Bankenkrise, Überwachungsskandale in renommierten Unternehmen: Was immer die Deutschen in den letzten Jahren an Unzumutbarem überrollt hat, nimmt Eckhard Giese in seiner Satire Das Neue Mensch aufs Korn. Der Autor kennt sich aus mit den Befindlichkeiten der deutschen Seele, denn er ist Professor für Sozialpsychologie an der Fachhochschule Erfurt. Er nimmt die Leser mit auf seinen Streifzug durch das Leben in der modernen Bundesrepublik: So kommen wir unter anderem vorbei an Gentechnik und Designerbabys, an den wuchernden Auswüchsen der alternativen Heilmethoden und am angespannten Verhältnis zwischen Ossis und Wessis – und natürlich an dem zwischen Frauen und Männern. Zahlreiche Mitmachseiten und Comics führen dem Leser die Absurdität unserer postmodernen Zeit vor Augen. Immer nach dem Motto: Bloß nicht ernst nehmen!“

Psychologie Heute, 1/2010


Fokus, Kontext und Ziel
Bei diesem Buch handelt es sich nicht nur um Satiren aus der Psychowelt, sondern um satirische Gegenwarts- und Alltagsbetrachtungen. Im Fokus des Autors, Hochschullehrer an der Fachhochschule Erfurt, stehen insbesondere jene Spezies, welche nach den Kategorisierungen der Sinus Milieu wohl zu den „Postmateriellen“, „Modernen Performern“, „Experimentalisten“ und „Hedonisten“ zählen würde. Damit ist wahrscheinlich auch der Kern jener Menschengruppe gemeint, die Soziale Arbeit, Psychologie, Pädagogik oder Soziologie studieren bzw. studiert haben und ihre gesammelten Weisheiten an die nachfolgenden Generationen in dezenter (satirisch bzw. zuweilen auch zynischer) Verpackung versuchen weiter zu geben.

Der literarische Unterhaltungswert seines Textes – so der Autor ganz selbstunkritisch – liege deutlich oberhalb des Modulkataloges im Studiengang Soziale Arbeit der FH Erfurt oder der 17-sprachigen Gebrauchsanweisung seines Familienhandys. Auch wenn das nicht so schwer ist: recht hat er. Sein Buch beschreibt er im Sinne des Empowerment-Ansatzes als „Therapie begleitend (aber nicht ersetzend)“ und „selbsthilfeunterstützend“, „geschlechtersensibel und sonntagsorientiert“ (5) Es will nicht mehr, aber auch nicht weniger, als Antworten geben, auf das, was „in Herzen und Höschen der Republik wummert“ (6).

Aufbau und Inhalt
Den Leser und die Leserin erwarten für die sonntägliche Lektüre Satiren und eine Art von Humor-Fiction in Form von Kurzgeschichten. Man könnte von einer Art fiktiver Postpostmoderne sprechen, welche die schöne neue Welt eines Craig Venter, die Verheißungen der Genforschung und des Menschendesigns satirisch unter die Lupe nimmt. Hier erhält auch das Sozialwesen ein neues Design. Es hat „große Ohren, einen zahnlosen Mund und ein eingebautes Verständnis. Es ist weich, kuschelig und freundlich, dabei genügsam, solange es sich gemocht fühlt.“ (20) Ganz im Hier und Jetzt bekommen dann die ganzheitlichen Gesundheitsfanatiker, welche an die Verheißungen des „heute yin und morgen young“ glauben, ihr verbales Fett aus satirischen Anbau auf das Brot ihrer oft naiven Glaubensysteme gestrichen.

Im Kapitel „Endlich unglücklich – vereint? Die Neuen Deutschen“ reflektiert Giese die Umbrüche und Brüche der sog. Wiedervereinigung. Mit Blick auf die Psychiatrie schreibt er: „Wo früher Leontjev und Bechterev walteten, säumen heute betreute Wahngemeinschaften blühende Landschaften“ (34).

Ein besonderes Augenmerk legt der Autor immer wieder auf die Geschlechterverhältnisse. Die Auswüchse des Gendermainstreaming und der Emanzipationsbemühungen von Alice Schwarzer bis Charlotte Roche werden mit reichlich Hohn und Spot und natürlich spitzer Satire sozusagen in das feuchte Kakao gezogen. Dem folgen noch Betrachtungen über Alphamännchen in der Wirtschaft und dem Banken-Un-wesen. „Keine Volkswirtschaft,“ so Giese „die als Standort Bestand haben will, kann es sich leisten, Menschen zu verprellen, die im Schweiße ihrer Guccihemden 400-1000 mal mehr Peanuts verdienen als die Arbeitende Bevölkerung“ (93). Konsequenterweise schlägt er darum die Umwidmung des 1. Mai zum „Tag der Manager“ und eine „generelle Steuerbefreiung für Leistungsträger und eine negative Besteuerung von Bordell- und Geschäftsbesuchen“ vor (94f). Jenseits humoristischer Distanz und mit analytischer Schärfe kommt Giese dann zu der Feststellung, „dass Banker zwar selten dauerhafte Werte schaffen, diese aber in kürzester Zeit vernichten können“. (117) Allen Hoffnungen so genannter „Salonmarxisten“ zum Trotz, glaubt er allerdings nicht, dass die gegenwärtige Finanzkrise etwas mit dem Ende vom „Terror der Ökonomie“ oder gar der Klassengesellschaft zu tun habe (118).

Im Kapitel zur „Weiterbildung: Psychodiagnostik und Verhaltensmodifikation“ begibt sich der Autor als Psychologe sozusagen in die Domäne der eigenen Disziplin und der eigenen Generation der 68er bzw., mit Jahrgang 53, wohl eher schon der Nach68er.

Zum Ende seiner Fiktionen nimmt Giese dann die Bemühungen zur Rationalisierung der Moderne, insbesondere der Hochschulen, aufs Korn. Hier erfährt man u.a. wie Total Quality Management für Professoren aussehen kann und das „billiger trotzdem besser!“ sein kann, wenn sich die Hochschulen nur geeignete Wege der Kosteneinsparung und der Drittmittelfinanzierung, wie beispielsweise die Einführung von Schichtzeiten zur besseren Gebäudeauslastung, ausdenken.

Zum Abschied schließt der Autor mit Betrachtungen über das Altern und die Alten.

Ergänzt werden die kurzweiligen Texte von gut platzierten Karikaturen von Freimut Wössner und Bernd Zeller.

Diskussion
Bei der sonntäglichen Lektüre des Buches wurde der Prozess des Alterns des Rezensenten erfolgreich verzögert. Wiederholte Ausschüttungen von Glückshormonen und Stärkung der Lachmuskeln führten zu einem deutlichen Vitalitäts- und durchaus auch Erkenntnisgewinn. An manchen Stellen, meist immer dann, wenn es um die Geschlechterverhältnisse ging, konnte ich mich nicht des Eindruckes erwehren, dass dem Autor hier ein wenig die Gelassenheit verloren gegangen ist. So als ob hier jemand mal über Gebühr durch moralinsaure Gebote für geschlechtergerechte Sprache und ähnliche Formen von linksalternativer Gender- und Political Correctnes in seiner nüchternen Betrachtung von gesellschaftlicher Wirklichkeit irritiert und abgehalten worden sei. Da werden dann manchmal schon die Grenzen von freundlicher Satire, als noch wertschätzender Form des Humors, leicht überschritten und eher durch abwertendem Spott ersetzt. Die Aufklärung über diesen möglicherweise biografischen Hintergrund ist uns der Autor allerdings schuldig geblieben und bleibt nun wohl einem narrativen Interview im Rahmen einer Bachelorarbeit am Fachbereich Sozialwesen vorbehalten.

Mir haben die satirischen Reflexionen besser gefallen als die Humor-Fiction. Aber das ist für jemanden, der mit dem Fiction Genre eher seine Schwierigkeiten hat, auch nicht verwunderlich und somit vielleicht eher eine Frage des persönlichen Geschmacks und Humorstils.

Fazit
Das kurze Fazit lautet: Bestellen, lesen, verschenken, sich und anderen eine Freude damit machen! Das Buch ist als Hardcover handwerklich solide und ästhetisch gut gelungen. Ob man mit dieser langlebigen Machart allerdings auch noch nachfolgende Generationen erfreuen kann, bleibt eigentlich nicht zu hoffen; denn dann sollte es doch keinen Sinn mehr für solche Satiren geben, oder?

Herbert Effinger, socialnet.de


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