Aus unserer Reihe: Allgemeines Programm

Wollschläger, Martin (Hrsg.)

Hirn – Herz – Seele – Schmerz

Psychotherapie zwischen Neurowissenschaften und Geisteswissenschaften

2008 , 304 Seiten

ISBN 978-3-87159-073-3

24.00 Euro

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„Endlich ein Buch, das sich traut, offensiv gegen den neurobiologischen Reduktionismus anzutreten –
ohne dabei die Komplexität der Zusammenhänge aus den Augen zu verlieren.“
(Gerd Möhlenkamp, Psychotherapeutenjournal, 2/2009)

 

Achtzehn Autoren der Fachgebiete Psychologie, Philosophie und Medizin sowie ein Schriftsteller diskutieren in ihren Beiträgen das nach wie vor spannendste Thema menschlichen Seins in seinen wechselwirkenden Dimensionen: Leib, Seele, Gruppe und Kultur. Exemplarisch geschieht dies am Beispiel der Psychotherapie im Spannungsfeld zwischen Neuro- und Geisteswissenschaften.

 

Können die Neurowissenschaften in diesem Diskurs ihren Anspruch, „Leitwissenschaften“ zu sein, einlösen?

 

 

Über den Herausgeber

Dr. phil. Martin Wollschläger, Dipl.-Psych., studierte bis 1980 u.a Geschichte, Pädagogik, Psychologie und Völkerkunde an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Ab 1991 ist er in den Bereichen Psychodiagnostik, Psychotherapie und Rehabilitation tätig, seit 1985 an der Westfälischen Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik und Neurologie in Gütersloh. 1995 Promotion an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. 1999 Approbation als Psychotherapeut.

 

 

Rezensionen:

„Der Titel des Readers weist darauf hin: es geht nicht nur um Hirn und Seele, sondern auch um Herz und Schmerz, d.h. der inhaltliche Rahmen ist weit gesteckt und soll die Psychotherapie zwischen Neurowissenschaften und Geisteswissenschaften verorten.
Die meisten der Beiträge befassen sich kritisch mit dem Reduktionismus der Neurowissenschaften und deren Anspruch, Leitwissenschaft auch von Psychologie und Psychotherapie zu sein. Die Abwehrfront gegen den vorherrschenden Neurohype scheint sich zu formieren. Die Geisteswissenschaftler müssten endlich aus der Defensive herauskommen, ihre ,Leisetreterei‘ überwinden und dem medialen ,Braintainment‘ etwas entgegensetzen, so fordertes z.B. Gerald Ulrich in seinem Beitrag.
Grob lassen sich die Beiträge zwei Kategorien zuordnen. Zum einen mehr erkenntnistheoretischen und wissenschaftshistorischen Auseinandersetzungen mit der Frage, was in Psychologie und Psychotherapie naturwissenschaftlich – respektive neurowissenschaftlich in Erfahrung gebracht werden kann und was nicht. Zum anderen mehr anwendungsorientierte Beiträge, die Eigenarten und Qualitäten von Psychotherapie beleuchten, die sich einer naturwissenschaftlichen Herangehensweise entziehen. ...
Was bleibt zusammenfassend zu sagen: Endlich ein Buch, das sich traut, offensiv gegen den neurobiologischen Reduktionismus anzutreten – ohne dabei die Komplexität der Zusammenhänge aus den Augen zu verlieren.“

Gerd Möhlenkamp, Psychotherapeutenjournal, 2/2009


„Der Sammelband enthält 19 teilweise recht anspruchsvolle Beiträge eines Symposiums beim Kongress der Deutschen Gesellschaft für Verhaltenstherapie 2006 in Berlin, das von Martin Wollschläger, einem an der Westfälischen Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik und Neurologie in Gütersloh arbeitenden Psychologen und Psychotherapeuten, durchgeführt wurde. 17 Männer und zwei Frauen aus den Fachgebieten Psychologie, Philosophie und Medizin sowie ein Schriftsteller diskutierten über die wechselwirkenden Dimensionen: Leib, Seele, Gruppe und Kultur am Beispiel der Psychotherapie im Spannungsfeld zwischen Neuro- und Geisteswissenschaften. Das Buch enthält die ausgearbeiteten Referate. Obwohl der Buchtitel laut Wollschläger auf das Buch ,Irren ist menschlich‘ von Dörner und Plog zurückgehe – ein Buch, das u.a. mit seiner Rechtfertigung von Elektroschocks nicht gerade als kritisch gilt –, stellen die Beiträge in ,Hirn – Herz – Seele – Schmerz‘ dennoch den reduktionistischen Ansatz der herrschenden Psychiatrie und Psychotherapie in Frage, den lebendigen, fühlenden, handelnden und denkenden Menschen biophysikalisch beschreiben, vermessen und verstehen zu können. Von den 19 Beiträgen am besten gefallen hat mir der Artikel des Psychoanalytikers und Psychiaters Wolfgang Leuschner: ,Neurowissenschaften und ihre Allmachtsphantasien‘ über das Kartell aus Medizin, Biologie, Ingenieurswissenschaften, Robotik, militärischer Forschung, medizinischer Geräte- und Informationsindustrie, Neuro-Marketing, Bildproduktions- und Nanotechnologie und chemischer Industrie – mit der Neurowissenschaft als Herzstück des Versuchs, einen neuen, über künstliche zerebrale Mikroprozesse manipulierten und nicht mehr vom Verfall und Tod, von Krankheit und körperlicher Unvollkommenheit bedrohten Menschen zu schaffen. Platz für eine eigenständige Psyche wäre bei einem solchen Produkt der neuen Halbgötter nicht mehr vorhanden.
Schade, dass Wollschläger wohl recht haben wird mit seiner Prognose eingangs des Buches, dass das Buch ein Diskussionsforum wohl nur eine Minderheit darstellt, dabei wäre es angesichts der Tatsache, dass wir immer mehr in das Zeitalter der Neurowissenschaften hineinschlittern und kaum ein psychologischer Zusammenhang mehr öffentlich erklärt wird, ohne zur Untermauerung der eigenen Aussagen gleichzeitig mittels bildgebender Verfahren Hirnareale in bunten Farben aufblinken zu lassen, so wichtig, dass sich derzeitige und angehende Meinungsführer mit allen zur Verfügung stehenden Kräften gegen eine Entwicklung richten, die früher oder später auf alle zurückfallen wird. Wenn die Schweizer Psychiaterin Brigitte Woggon 2000 öffentlich erklären konnte: ,Alles, was wir fühlen, ist eben Chemie: seelenvoll in den Sonnenuntergang blicken, Liebe, Anziehung, was auch immer – alles sind biochemische Vorgänge, wir haben ein Labor im Kopf‘), ohne dass ein allgemeines Gelächter ausbrach, wird die grundlegende verächtliche Haltung gegenüber dem Geschöpf Menschen deutlich. Möge der Sammelband Wollschlägers dazu betragen, dass sich möglichst viele gegen eine solch primitive Weltsicht wenden.“

Peter Lehmann, FAPI-Nachrichten


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