Rezensionen:
Die therapeutische Männerarbeit von Neumann & Süfke basiert auf einer schlichten
Hypothese: »Männer verlieren im Laufe ihrer Kindheit/Jugend immer mehr den Zugang zu
ihren eigenen Impulsen. Um diesen Zugang wiederherzustellen, müssen wir den Mann zur
Sprache bringen!« Die darin enthaltene Doppeldeutigkeit ist gewollt:
Den Mann zum Sprechen bringen und ihn anleiten, sein Selbstverständnis als Mann zu
symbolisieren.
In Teil 1 wird dargestellt, wie der Zugang zur inneren Welt in der Kindheit nach und nach
verloren geht. Neben gesellschaftlichen und familiären Ursachen wird das psychische
Dilemma von Jungen beleuchtet, wie diese in Ermangelung männlicher Identifikationsfiguren
und in Abgrenzung zur Mutter »externalisierende« Bewältigungsstrategien erlernen.
Im Teil 2 wird eine vielschichtige Psychotherapie mit Männern entworfen, die eklektisch
keine »Sprechverbote« kennt, doch in den Grundzügen personzentriert und systemisch ist –
mit einer gehörigen Portion Humortherapie. Es wird dargestellt, wie eine schützende
Beziehung hergestellt werden kann, damit der »ganze Kerl« nicht gleich wie der aus dem
bedrohlichen Gefühlsdschungel der Therapie flüchtet. Es werden umfangreich und
anschaulich therapeutische Methoden zur Förderung von eher internalisierenden
Lebensstrategien illustriert. Schließlich wird auf die Besonderheiten in der Arbeit mit
Jugendlichen eingegangen, v.a. die Anforderungen an die Geduld und Glaubwürdigkeit des
Therapeuten.
In Teil 3 wird in 33 Kasuistiken unverblümt Einblick in die Praxis der Autoren gegeben. Der
vorher skizzierte Therapieansatz wird noch lebendiger, wenn man Neumann & Süfke
gewissermaßen in sensu bei der Arbeit über die Schulter schaut.
Die Autoren bieten keine kopierbaren Patentrezepte. Vielmehr wird es der Offenheit, dem
Mut und der Lust der Fachmänner und -frauen überlassen, die gebotenen vielfältigen
Anregungen in der eigenen Praxis auszuprobieren. So richtet sich das Buch an ein mit
beiden Beinen im Leben stehendes Fachpublikum, das Bereicherung für einen
herausfordernden Berufsalltag sucht. Der Rezensent machte selber die Erfahrung, dass
Impulse aus dem Buch überraschend in seiner therapeutischen Arbeit auftauchten und sich
kreativ entfalteten.
Neumann und Süfke haben ein Männerbuch geschrieben und als (Fach-) Mann erhält man
vielschichtige und sympathische Einsichten in die Abgründe des eigenen Geschlechts.
Gleichwohl dürfte das Buch auch für Fachfrauen überaus spannend sein. Der Rezensent
möchte allerdings warnen: frau könnte eher er nüchtert sein, dass Männer im Grunde doch
nicht viel anders funktionieren als Frauen ... wenn, ja wenn sie erst einmal zur Sprache
gebracht werden!
Jens Flassbeck
in: Psychosoziale Umschau 2/2004, S. 50
Das Schweigen der Männer...
kann behoben werden: Ein Buch über typische Probleme in der „Männertherapie“
[…] Neu an diesem Buch ist, dass nicht Frauen die Männer auffordern, sich zu
ändern. Zwei Geschlechtsgenossen übernehmen hier das Reflektieren, das Argumentieren und das Vormachen. Die Autoren führen alte Missstände des Mannseins vor Augen und
rufen zu Veränderungsprozessen auf, die die biopsychosoziale Gesundheit und Ganzheit
von Männern fördern. […]
Anne Lützenkirchen
in: Psychologie Heute 6/2005, S. 80
„Männer verlieren im Laufe ihrer Kindheit/Jugend immer mehr den Kontakt zu ihren
eigenen Impulsen.“ Mit dieser These beginnen Wolfgang Neumann und Björn Süfke ihr Buch
über die Psychotherapie mit Männern und stellen die Frage, wie die Männer (und auch
männlichen Jugendlichen) im Therapiezimmer unterstützt werden können, um diesen
Kontakt zu ihrer inneren Welt wiederherzustellen. Zur Beantwortung dieser Kernfrage tragen
die Autoren zunächst theoretische Grundlagen für die therapeutische Arbeit mit Männern
zusammen und stellen dann das konkrete Vorgehen im therapeutischen Prozess dar. Dabei
illustrieren sie anhand zahlreicher Fallbeispiele immer wieder auf humorvolle Art und Weise
ihre eigenen therapiebegleitenden Gefühle und Gedanken. Sie machen sich dabei an keiner
Stelle über ihre Klienten lustig, sondern schaffen es, über sich selbst und nicht über, sondern
mit ihren Klienten zu lachen.
Teil eins bietet den mit Männern und männlichen Jugendlichen arbeitenden
Psychotherapeutlnnen in knapper Form theoretische Grundlagen zur männlichen
Sozialisation und zu den Bewältigungsprinzipien des Mann-Seins. Die Autoren haben „das
Rad nicht neu erfunden“, also keine eigenen, neuen Theorien zum männlichen
Sozialisationsprozess entwickelt, sondern bestehende Ansätze (insbesondere das
Sozialisationsmodell von Böhnisch und Winter, 1997) prägnant zusammengefasst. Sie
zeigen auf, wie der Zugang zu den eigenen Bedürfnissen und Gefühlen im Laufe der
Jungensozialisation (etwa durch den Prozess des „Gendering“) verloren geht und wie dieser
Mangel-Zustand auch bei erwachsenen Männern aufrecht erhalten bleibt, z.B. durch
Prinzipien der Externalisierung (Männer reden lieber über den neuen DVD-Player als über
Partnerschaftsprobleme) oder durch Stummbleiben (Männer reden am liebsten gar nicht
über Persönliches).
Neumann und Süfke gelingt es, strukturiert, übersichtlich und leicht verständlich, die
Fachliteratur zu dieser Thematik stringent zusammenzufassen und eigene therapeutische
Handlungsansätze aufzuzeigen — womit sie demonstrieren, dass etwa der männliche
Sozialisationsprozess der Kontrolle auch etwas Positives an sich hat.
In Teil zwei, dem inhaltlichen Schwerpunkt ihres Buches, stellen die Autoren ihre
Grundzüge der Psychotherapie mit Männern dar. Sie beleuchten (und erhellen) die Frage,
wie sie Männern dabei helfen, den verschütteten Zugang zu ihren Gefühlen wieder zu
öffnen, nämlich indem sie ihnen in einem Prozess positiver Nachsozialisation ein „neues
Sprechen“ beibringen und dann mit den Männern im therapeutischen Raum deren
vergrabene Impulse „zur Sprache bringen“.
Eindrucksvoll ist, wie Neumann und Süfke zu den Männern in der Therapie Kontakt
aufnehmen, wie sie deren Interesse am Sprechen (wieder) wecken. Die Ehrlichkeit und
Echtheit des Therapeuten, den Klienten ernst zu nehmen und die humorvolle
Betrachtungsweise des therapeutischen Prozesses (also des Klienten, des Therapeuten und
ihrer gemeinsamen Beziehung) sind die Schaufeln und Bagger zu den verschütteten
Impulsen der Männer. Die Autoren beschreiben, wie sie in der Therapie ein „Treffen“
zwischen dem Mann und dem Jungen, der er gewesen ist, arrangieren oder auch den Vater
des Mannes in die Therapie einladen — und auch, wie sie die beständige männliche
Handlungsbereitschaft therapeutisch nutzen. Sie berichten von ihren Erfahrungen mit
Männergruppen, der Therapie mit männlichen Jugendlichen u.v.m. In diesem Teil des
Buches hat man als Therapeutln immer das Gefühl, Handlungswerkzeuge an die Hand zubekommen, die man in der Therapie mit Männern wirklich erfolgreich nutzen kann. Und
erfolgreich meint immer: Der Mann findet den Zugang zu seinen Impulsen wieder.
Im dritten Teil stellen die Autoren anhand zahlreicher Fallbeispiele praktisch dar, wie
die therapeutische Arbeit mit Männern konkret aussieht, wie sie erfolgreich gestaltet werden
kann. Neumann beweist in diesem Teil des Buches erneut sein schriftstellerisches Talent (s.
auch „Als der Zahnarzt Zähne zeigte“, 1996 oder „Dem Therapeur ist nichts zu schweur“,
2002). Anders als in seinen vorhergehenden Büchern sind die therapeutischen Geschichten
diesmal jedoch in einen theoretischen Hintergrund eingebettet, so dass sein therapeutisches
Vorgehen nachvollziehbar und verständlich wird. Humor als therapeutisches Mittel wird
sichtbar und spürbar, man kann die Emotionen und Gedanken des Therapeuten als
wesentliche Mittel im therapeutischen Prozess erfahren.
Neumann und Süfke haben ein Buch geschrieben, das nicht nur rein fachlich-sachlich zu
lesen ist, denn zumindest als Mann wird man sich immer wieder dabei ertappen (zunächst
verstohlen heimlich), die Parallelen in seiner eigenen Sozialisation zu suchen und dann die
männlichen Bewältigungsprinzipien bei sich selbst zu entdecken, z.B. die Angst vor
zwischenmenschlich nahem Kontakt und die gleichzeitige Sehnsucht danach. So haben die
Autoren eben nicht ein Buch geschrieben, das uns männlichen Lesern erneut erlauben
könnte, uns von unseren Wünschen, Träumen, Gefühlen und Impulsen zu distanzieren und
fachlich-sachlich den therapeutischen Prozess als solchen zu analysieren — als wären wir
keine Männer und als würden wir den Schmerz, die Kälte, die Wärme, die Sehnsucht selbst
nicht spüren. „Den Mann zur Sprache bringen“ bedeutet eben nicht nur, den Klienten zur
Sprache, zum Sprechen zu bringen, sondern auch den Therapeuten zur Sprache zu bringen.
Es bedeutet, uns nicht erneut von uns selbst zu distanzieren, indem wir uns hinter Theorien
und Expertenwissen verstecken, uns bemühen, die therapeutische Situation zu kontrollieren
und den männlichen Klienten zu beweisen, dass Männer die besseren Männer sind, wenn
sie ihre Hilflosigkeit verbergen, ihre eigenen Gefühle ignorieren und Macht ausüben, etwa
indem sie den Klienten sagen, wo es lang geht. Neumann’s und Süfke’s Buch macht Spaß
und es berührt. Von welchem psychotherapeutischen Fachbuch kann man das sagen?
Stefan Reinisch
in: Gesprächspsychotherapie und Personzentrierte Beratung 2/2004, S. 127-128
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