Aus unserer Reihe: Allgemeines Programm

Fliegel, Steffen

Unsere Sexualitäten

Teil I: Basics - Probleme - Lösungen / Teil II: Sexualtherapeutische Schätze

2022 , 404 Seiten

ISBN 978-3-87159-168-6

29.80 Euro

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E-Book | ISBN 978-3-87159-468-7 (erhältlich auf allen gängigen E-Book-Plattformen)

 

Das neue Fach- und Sachbuch führt in das Thema rund um unsere Sexualitäten ein, vermittelt profunde Kompetenzen und zeigt, wie ein Zugang zum eigenen Körper gefunden werden kann. Es kann helfen, das immense Defizit bei Behandlungen und Beratungen von Frauen, Männern, diversen Personen und Paaren mit sexuellen Problemen abzutragen.

Neben umfassenden Erläuterungen zu unseren Sexualitäten und deren Problemen werden Behandlungs- und Beratungskonzepte wie auch ihre Methoden praxisnah vorgestellt.

Die dargestellten Konzepte und Interventionen sind schulenübergreifend und vermitteln praxisrelevant vielfältige Problemlösungen. Die Methoden und Techniken werden detailliert dargestellt, eine Fortsetzung, auch im Aufbau, der beiden Fachbücher Psychotherapeutische Schätze, Band I und II.

Praktisch arbeitende Fachkolleg*innen können Einzelpatient*innen und Paare bei der Bewältigung ihrer sexuellen Funktions- und Luststörungen kompetent unterstützen und so zu einer deutlichen Verbesserung der Versorgungslage beitragen. Die Erweiterung der beruflichen Kompetenzen in der Praxis und der Ausbildung gelingt mit diesem Fach- und Sachbuch durch profunden Kenntniszugewinn, die Unterstützung bei der Sprachfindung über die diversen Sexualitäten, die Vermittlung der therapeutischen Beziehungsgestaltung sowie durch das Wissen um differenzierte Lösungen für die Bewältigung sexueller Probleme.

Fazit: Die Arbeit mit diesem Buch ermöglicht Psychotherapeut*innen bzw. psychosozialen Berater*innen aufgrund ihrer beruflichen Qualifikation sexualtherapeutisch bzw. sexualberaterisch arbeiten zu können.


Über den Autor

Dr. Steffen Fliegel hat mehr als 40 Jahre psychologisch und psychotherapeutisch, praktisch und wissenschaftlich gearbeitet. Dabei begleiteten ihn auch die Themen Sexualitäten, sexuelle Störungen und Sexualtherapie bei Erwachsenen und Jugendlichen – in Publikationen und Lehrfilmen, als Psychologe des WDR und insbesondere im breiten Feld der Aus- und Fortbildung. Ein Augenmerk richtete er dabei auch immer auf die Verbesserung der psychosozialen Versorgung. Obwohl sein therapeutisches Standbein die Verhaltenstherapie ist, war es ihm stets ein großes Anliegen, weit über deren Tellerrand hinauszuschauen und sich von schulenübergreifenden Konzepten wie der Systemischen Therapie und der Allgemeinen Psychotherapie nach Klaus Grawe inspirieren zu lassen.

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Zu diesem Buch


Eine in Kapitel 1.1 zitierte kanadische Studie bescheinigt Paaren, die einmal in der Woche Sex haben, mehr partnerschaftliche Zufriedenheit, als wenn der Sex seltener stattfindet. Grundsätzlich bietet Sex Chancen auf Glück und Zufriedenheit. Aber dass er auch Risiken in sich birgt, zeigte eine repräsentative Untersuchung aus dem Jahr 2000. Sie ergab eine sehr hohe Prävalenz behandlungsbedürftiger sexueller Funktionsstörungen mit Folgewirkungen auf Lebensqualität, Partner*innenbeziehung und Gesundheit (Beier, Hartmann & Bosinski, 2000; Beier, Bosinski & Loewit, 2021). Das hat sich bis dato nicht geändert. Die Prävalenz eines oder mehrerer sexueller Probleme einschließlich geringer Beschwerden lag in den Jahren 2019/2020 für Männer bei 33,4 % und für Frauen bei 45,7 %. Zu einer stark beeinträchtigenden sexuellen Dysfunktion kam es bei 13,3 % der sexuell aktiven Männer, am häufigsten litten sie unter Erektionsproblemen und verfrühter Ejakulation. 17,5 % der sexuell aktiven Frauen wurden durch eine sexuelle Störung sehr belastet, am häufigsten wegen vermindertem sexuellem Verlangen und Orgasmusproblemen. Auch fühlten sich Frauen besonders durch sexuell bedingte Schmerzen beeinträchtigt (Briken et al., 2020). Nach heutigem Kenntnisstand sind sexuelle Funktionsstörungen oftmals ein Frühsymptom von körperlichen Erkrankungen wie Hypertonie, Herz-Kreislauf-Problemen, Diabetes, neurologische Krankheiten u. a. m.

Auch wenn nur ein Teil der heute bestehenden sexuellen Probleme beratungs- oder behandlungsbedürftig ist, steht einer notwendigen fachlich begleiteten Bewältigung sexueller Probleme eine große Unterversorgung gegenüber. Meine eigene berufliche Erfahrung hat ebenfalls gezeigt, dass die Nachfrage nach Sexualberatung und Sexualtherapie aufseiten der Hilfesuchenden sehr groß ist. Beratungsangebote sind dünn gesät, und in den psychotherapeutischen Praxen, die ja in der Regel über Wartelisten verfügen, finden Personen mit sexuellen Problemen – sicherlich aus verschiedenen Gründen – wenig Einlass. Auch im psychosozialen, psychotherapeutischen und medizinischen Bereich der Aus-, Fort- und Weiterbildung muss die Behandlung sexueller Störungen leider immer noch als Randerscheinung ihr Dasein fristen. Und nicht zuletzt hat die psychotherapeutische wie auch medizinische Forschung auf dem Gebiet der Sexualstörungen keine Hochkonjunktur. Im Hochschulbereich gibt es gegenwärtig nur noch in Berlin, Hamburg und Hannover universitäre Facheinrichtungen mit einer Forschungsausrichtung im Bereich Sexualmedizin. In der Psychologie tauchen nur vereinzelt Institute oder Fakultäten mit entsprechender Schwerpunktsetzung auf.

Viele Jahre habe ich mich in der Aus-, Fort- und Weiterbildung sowie in eigener psychotherapeutischer Arbeit mit sexuellen Problemen und ihren Behandlungsmöglichkeiten beschäftigt. Die Deutsche Gesellschaft für Sexualforschung (DGfS) und die Deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapie (DGVT) gaben mir hier eine fachliche Heimat. Dass es aber zum Schreiben dieses Buches gekommen ist, hat einen anderen Hintergrund. Der bis 2021 wirkende Verlagsleiter des DGVT-Verlags, Otmar Koschar, machte mich kürzlich darauf aufmerksam, dass das seit 1994 bestimmende Buch zur männlichen Sexualität von Bernie Zilbergeld „Die neue Sexualität der Männer – Was Sie schon immer über Männer, Sex und Lust wissen wollten“ nun nach vielen Neuauflagen nicht mehr nachgedruckt werden wird. Es war sowohl als Selbsthilfebuch wie auch für die therapeutische Arbeit über Jahrzehnte hinweg von zentraler Bedeutung. Sein Vorgänger „Männliche Sexualität – Was (nicht) alle schon immer über Männer wußten …“ bereicherte das Verlagsgeschehen bereits erfolgreich seit 1983. Beiden Büchern ist nicht nur aufgrund der ungewöhnlich großen Verbreitung ein Kultstatus zuzuerkennen. Zilbergeld hat mit seinen Büchern das Thema Sex offen und freizügig, aber eben seriös und auch mit Blick auf die Wissenschaft dargestellt. Vor allem hat er Übungen und Praxisbeispiele beschrieben, die dem männlichen Geschlecht, aber auch geschlechtsübergreifend und partnerschaftsbezogen konkrete Hilfen bei der Bewältigung von sexuellen und von Partnerschaftsproblemen anbieten. In seinem Vorgehen und seiner Sprache war Zilbergeld immer sehr nah und fast freundschaftlich bei den Hilfesuchenden. Hier ein kurzer Exkurs zu seiner Vita:

Bernie Zilbergeld, Psychologe und Autor aus Oakland, starb 2002 mit nur 62 Jahren. Er war insbesondere in den USA, aber auch in Europa, bekannt für seine „bahnbrechenden Schriften über Männer und Sex“, wie es die New York Times am 22. Juni 2002, am Tag nach seinem Tod, schrieb. Mehr als eine Million Mal wurden seine beiden oben genannten Bücher mit ihrem humorvollen und praktischen Ansatz in den USA verkauft. „Er war wirklich der Erste, der etwas für Männer über sexuelle Probleme geschrieben hat“, stellte seine langjährige Freundin und Kollegin Lonnie Barbach fest, ebenfalls eine berühmte amerikanische Sexualtherapeutin, insbesondere für die sexuellen Probleme von Frauen. Und weiter vermerkte sie: „In den späten 1970er Jahren gab es einfach keine Informationen. Die Leute liefen mit sexuellen Problemen herum, fühlten sich einfach unzulänglich. Bernie war es, der bejahend über Sexualität schrieb.“ Zilbergeld war ein promovierter Wissenschaftler mit einer Therapiepraxis in Oakland. Er war auch für seine Arbeit in den 1970er-Jahren als einer der ursprünglichen Ausbildungsleiter des Human Sexuality Program der UCSF (University of California San Francisco) bekannt. In dieser Funktion unterrichtete er Ärzt*innen, Psycholog*innen, Sozialarbeiter*innen und Therapeut*innen in der Behandlung männlicher sexueller Probleme.

So viel zur Würdigung von Bernie Zilbergeld. Wie kam es nun zu diesem Verlagsprojekt? Durch seinen frühen Tod konnte Bernie Zilbergeld sein Buch nicht mehr selbst überarbeiten. Daher bat der Verlagsleiter Otmar Koschar mich, einige gute praktische und zeitlose Teile von Bernie Zilbergelds Texten zu einem Skript zusammenzustellen, damit sie der Nachwelt erhalten bleiben.

Letztlich entschloss ich mich aber, ein ausführlicheres Buch über die gesamte Breite der Sexualitäten zu schreiben, damit der dgvt-Verlag wieder ein aktuelles Buch zu diesem Thema in seinem Verlagsprogramm ausweisen kann. Damit soll zumindest in publizierter Form den Versorgungsproblemen sexueller Störungen entgegengewirkt werden. Das Buch wendet sich somit in erster Linie an Kolleginnen und Kollegen, die im psychosozialen Bereich psychotherapeutisch und beratend tätig sind. Informiert wird über Grundlagen von Sexualitäten, praxisnah über die Breite insbesondere sexueller Funktions- und Luststörungen und vor allem über ein lösungsorientiertes Beratungs- und Behandlungsmodell zur Bewältigung der Probleme, als Einzelperson oder als Paar, verbunden auch mit Selbsthilfemöglichkeiten.

Es gibt sehr gute Fachbücher zum vorliegenden Thema, die mich beim Schreiben des Buches angeregt haben, z. B. mitherausgegeben oder geschrieben von Peer Briken, Klaus Beier, Uwe Hartmann, Peter Fiedler, Volkmar Sigusch, Reinhard Maß und Renate Bauer. Sie haben mich überdies dazu motiviert, ein etwas anderes Buch zu schreiben. Ein Buch zwischen Sach- und Fachbuch, das vor allem mit einem sehr starken Praxisbezug ausgestattet ist, so praktisch, dass die Anwendung von Sexualberatung und Sexualtherapie ganz konkret in ihren Facetten und Details beschrieben ist.

Dieses Buch ist so aufgebaut, dass Fachleute mit einer qualifizierten psychosozialen Beratungskompetenz oder einer Qualifikation als Psychotherapeut*in mit seiner Hilfe Frauen, Männern, diversen Personen und Paaren mit sexuellen Problemen bei der Informationsgewinnung, Problemanalyse und Lösungssuche bzw. Bewältigung umfassend helfen können.

Zahlreiche Kapitel und Interventionen zur Diagnostik und Behandlung im Teil I sowie insbesondere die praktischen Anleitungen in Teil II haben auch einen Selbsthilfecharakter. So können sie Personen, die nicht vom Fach sind, viele Informationen rund um die Themen der Sexualitäten, ihrer Probleme und Hilfen vermitteln. Auch sind diese Teile für Fachleute gerne kopierbar, um sie Hilfesuchenden an die Hand zu geben.

Teil II wurde inspiriert durch die ebenfalls im dgvt-Verlag herausgegebenen Bücher „Psychotherapeutische Schätze“ (2006 und 2009, weitere Auflagen 2009, 2015 und 2022), die mit meiner Kollegin Annette Kämmerer und vielen Fachkolleg*innen entstanden sind. Im vorliegenden Buch finden sich nun „Sexualtherapeutische Schätze“ in Form von 65 praktischen Übungen. Diese setzen sich zusammen aus Methoden und Techniken, die in der herkömmlichen Sexual- und Paartherapie verbreitet sind oder meiner eigenen Praxis und Ausbildungskonzepten entstammen bzw. modifiziert sind anhand der Bücher von Bernie Zilbergeld oder weiteren Anregungen.

Beachtet werden sollte, dass die Übungen in Teil II für sich keinen Selbstzweck erfüllen, sondern dass es sich empfiehlt, sie mit der fachlichen Basis in Teil I zu verknüpfen. Wenn immer möglich gibt es daher im Teil I einen fachlich-wissenschaftlichen Bezug zum praktischen Handwerkszeug für Sexualberatung und -therapie. Dieser soll einem therapieschulenübergreifenden, also verfahrensoffenen Ansatz gerecht werden, der sich jedoch weniger an ICD- und DSM-Diagnosen orientiert. Er sieht vielmehr die individuelle Problembeschreibung sowie die Problem- und Bedingungsanalyse als Leitlinien und Ausgangspunkt für Veränderungsinterventionen.

Im Anhang (Weitere Informationen und Tipps) wird zunächst beschrieben, wie eine gute Sexualberatung und Sexualtherapie zu finden und was auf dem Weg dorthin zu beachten ist. Des Weiteren sind hilfreiche Adressen von fachbezogenen Verbänden und Einrichtungen aufgelistet sowie Möglichkeiten der Fort- und Weiterbildung in Sexualtherapie und -beratung. Zuletzt folgen interessante Selbsthilfe- und Fachliteratur bis zum Jahr 2022 und, auf das Buch selbst bezogen, ein Literaturverzeichnis sowie ein Sachwort- und Fachpersonenregister.

Im Verlauf des Jahres 2021, als das vorliegende Buch im Entstehen war, erlebten wir einen Höhepunkt der Pro-und-Kontra-Diskussion um das Gendern in geschriebener und gesprochener Sprache. Es ist für uns selbstverständlich, im Text alle Geschlechtsformen – weiblich, männlich und divers – umfassend zu berücksichtigen und nicht nur in einer Fußnote zu schreiben, dass wegen einer besseren Lesbarkeit mit der männlichen Schreibweise alle Geschlechter gemeint sind. Entschieden haben wir uns dabei entweder für die Aufzählung oder für die *-Form. Der Stern wird dem Doppelpunkt bevorzugt, da er mit seinen in allen Richtungen strebenden Strahlen auch als Symbol für Vielfältigkeit, gerade bezüglich der Sexualitäten, gelesen werden kann.

Gemeinsam mit meiner Kollegin Hildegard Stienen, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie aus Münster, habe ich in den letzten 15 Jahren viele Seminare rund um das Thema Sexualität durchgeführt. Durch ihre ärztlich-sexualtherapeutische und sexualmedizinische Kompetenz wurde ich um den Blick auf die Breite sexueller Störungen und ihrer Behandlungsmöglichkeiten sehr bereichert. Und so konnten wir für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in unseren Fort- und Weiterbildungen die Multiprofessionalität bei der Sexualtherapie abbilden. Hildegard danke ich besonders für die vielfältige fachliche und auch kritische Inspiration in unserer Zusammenarbeit, die sich vor allem im ersten Buchteil niedergeschlagen hat.

Ohne einem sehr guten und mitdenkenden Lektorat mit Sabine Oswalt, einem in der Zusammenarbeit gewohnt zuverlässigen Schreibbüro mit Diana Brintrup sowie einer äußerst unterstützenden Verlagsbegleitung mit immer offenem Ohr durch Otmar Koschar und Valerie Pogodda hätte dieses Buch nicht entstehen können. Herzlichen Dank.


Steffen Fliegel
Münster, im April 2022

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