Aus unserer Reihe: Allgemeines Programm

Giernalczyk, Thomas

Lebensmüde

Hilfe bei Suizidgefährdung

2003 , 232 Seiten

ISBN 978-3-87159-042-9

12.80 Euro

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2., aktualisierte Auflage

 

Suizidgefahr entsteht nicht von heute auf morgen. Dieser Krisenratgeber klärt auf und wendet sich an Betroffene, Angehörige und berufliche Helfer. Er geht unter anderem auf verschiedene Persönlichkeits- oder Lebenskrisen ein und schildert Unterstützungsmaßnahmen für Menschen, die sich in extremer seelischer Not befinden.

Eine ausführliche Adressenliste verweist auf entsprechende Institutionen im deutschsprachigen Raum, die bei akuter Gefahr weiterhelfen.


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Leseprobe:

Einleitung zur zweiten Auflage

Tötung durch die eigene Hand hat seit der ersten Auflage dieses Buches in keinerlei Hinsicht an Brisanz verloren. Immer noch ist der Suizid ein unterschätztes und tabuisiertes Problem unseres Zusammenlebens. Jedes Jahr sterben in Deutschland mehr als 11.000 Menschen durch die eigene Hand – das ist eine deutlich höhere Zahl als die derjenigen Personen, die im Straßenverkehr umkommen. Die Tabuisierung des Suizids wird noch deutlicher, wenn man sich vor Augen hält, dass acht von zehn Menschen ihre Suizidabsicht vorher unmissverständlich angesprochen haben.
Was sind die Gründe dafür, dass der Suizid einem Tabu unterliegt, obwohl er doch ein weit verbreitetes Problem darstellt? Ich meine, dass ein wichtiger Grund darin besteht, dass die Selbsttötungsabsichten eines Menschen bei anderen, die davon etwas mitbekommen, Angst auslösen und diese Angst dafür sorgt, dass wir nicht so genau hinhören mögen und unklare Andeutungen lieber rasch vergessen. Damit wird aber für den gefährdeten Menschen eine große Chance vertan. Oft sucht er noch durch vage Andeutungen das Gespräch über seine Tötungspläne. Er möchte sich mitteilen und sein eigenes Hin- und Hergerissensein zwischen Lebenwollen und Sterbenwollen mit anderen teilen und noch einmal in Frage stellen. Erhält er dazu keine Möglichkeit, weil die Angst der anderen dies verhindert, gerät er dadurch oft noch einen Schritt weiter in den Strudel seiner Selbsttötungsgedanken.
Das vorliegende Buch ist ein Beitrag gegen die Angst vor dem Thema Suizid. Es hilft zu verstehen, was in Menschen vorgeht, die mit Todesgedanken befasst sind, und erklärt in leicht verständlicher Sprache wichtige Ansätze, die bewährte Erklärungen für Krisen und psychische Not bereitstellen. Darüber hinaus können Angehörige, Helfer und Betroffene lernen, worin ein hilfreicher Umgang für Menschen mit Selbstmordgefahr oder für Menschen, die einen Suizidversuch überlebt haben, besteht.
Angehörige von Suizidalen werden informiert, wie sie günstig Einfluss nehmen können, und Menschen, die den Tod eines Angehörigen durch Suizid zu beklagen haben, werden hinsichtlich ihrer oft schwierigen Trauer angesprochen. Abgerundet wird das Buch durch eine Liste von Hilfseinrichtungen für Gefährdete und Anlaufstellen für Hinterbliebene nach einem Suizid.
In einer Zeit, in der Sterbehilfe beinahe populärer als Suizidprävention ist und das unbezweifelte Recht auf Selbsttötung sich im Bewusstsein vieler verankert hat, wird mitunter vergessen, danach zu fragen, was denn die Gründe für das Sterbenwollen der Suizidalen ausmacht. Gerade auf die vielfältigen Motive, die zur Lebensmüdigkeit führen, wird in diesem Buch ausführlich eingegangen. Insgesamt kann gelten, dass Lebensmüdigkeit die Spitze eines Eisbergs psychischer, körperlicher und sozialer Not darstellt. Ist diese Not groß, werden die Suizidabsichten drängend. Gelingt es, die Not in den persönlichen Lebensgeschichten zu erfassen und können in Gesprächen Wege zu ihrer Linderung gefunden werden, so tritt der Plan, sich zu Töten oftmals zurück. Es ist mir ein wichtiges Anliegen, genau diese Seite der Diskussion nicht zu vergessen. Zu rasches Akzeptieren von Selbsttötungsabsichten stellt eine Gefahr dar, die Möglichkeit ungenutzt zu verschenken, doch auch nach einem besseren Leben zu suchen. In der Sprache meines Vorwortes kommt die Schwierigkeit zum Ausdruck, die richtigen Worte für die selbstzerstörerischen Vorgänge zu finden. Auch in diesem Sachverhalt drückt sich das Tabu aus. Am verbreitetsten ist nach wie vor der Begriff „Selbstmord“; bei genauerem Hinsehen trifft er aber die Vorgänge wenig. Er enthält das Wort „Mord“, was Tötung aus niederen Beweggründen bedeutet. Derart kann aber dieser Vorgang kaum verstanden werden. Und bei dem Begriff des „Freitodes“ kommt die psychische Not der meisten Betroffenen nicht zum Ausdruck. In der Fachsprache hat sich deshalb das Wort „Suizid“ – auf Deutsch „Selbsttötung“ – durchgesetzt. Ich denke, dass es einen Beitrag zur Enttabuisierung darstellt, eher von der Selbsttötung als von einem Selbstmord zu sprechen. Auf diese Weise werden nicht nur Betroffene, sondern auch Angehörige und Hinterbliebene weniger stigmatisiert, wird der schwierige wie notwendige Schritt zum Gespräch über das, was schwer in Worte zu fassen ist, vielleicht etwas erleichtert.
Ich bin davon überzeugt, dass wir lernen können, über Suizidalität fruchtbare und hilfreiche Gespräche zu führen, wenn wir uns in einem ersten Schritt diesen Vorgängen und ihren Hintergründen durch Lesen, Nachdenken und Nachfühlen stellen.
Genau dazu möchte ich den Leser mit Hilfe der Lektüre der zweiten Auflage dieses Buches einladen.


Rezensionen:

„Giernalczyk möchte dem Leser die Angst vor dem Thema Suizid nehmen und den Blick für suizidgefährdete Menschen zu schärfen. Er geht dabei sehr einfühlsam und verständnisvoll vor, so dass sowohl dem Angehörigen als auch dem Betroffenen Scham und Schuldgefühle genommen und Hemmungen abgebaut werden, sich mitzuteilen und Hilfe zu suchen.
Giernalczyk verzichtet soweit möglich auf Fachjargon. Er schildert ausführlich, wie die ambulante und stationäre Behandlung aussieht, wie ein Erstgespräch abspielt, was in der geschlossenen Psychiatrie geschieht und welche Voraussetzungen für eine Zwangseinweisung bestehen müssen. Ich glaube, dass speziell diese Kapitel bei Suizidgefährdeten Ängste und Vorurteile abbauen können.“

www.deprilibri.fx7.de


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